Die 50er-Jahre sind inzwischen oftmals Ziel nostalgischer Rückblicke. Wirtschaftswunder, Wiederaufbau und wachsender Wohlstand nach der Währungsreform bildeten die Basis für das starke Interesse an üppiger Unterhaltung eines Publikums, das die traumatischen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit zu verdrängen und vergessen suchte. Mit Hilfe des verbesserten Agfacolor-Verfahrens präsentierte der deutsche und österreichische Nachkriegsfilm sein Gesicht einer Traumfabrik, die es Hollywood gleich tun wollte.
In dieser Zeit beginnt auch die Karriere der 1938 in Wien geborenen Rosemarie Magdalene Albach, Tochter von Magda Schneider und Wolf Albach-Retty. Die junge Rosemarie (Romy) entwickelte sich am deutschen und österreichischen Kinohimmel jener Jahre zum Stern, der am hellsten leuchtete. Ihre Filme versetzten in jenen Jahren das Publikum und auch Teile der Kritiker im In- und Ausland ins Schwärmen. Aber Romy ist mehr als nur die weltweit wohl berühmteste deutschsprachige Schauspielerin schlechthin. Abseits vom – dank regelmäßiger TV-Ausstrahlungen – bewunderten oder auch belächelten Sissi-Mythos, waren es bislang in erster Linie die später von Tragik und Zerrissenheit geprägten Ereignisse im Leben der Schauspielerin, die eingehend beachtet, ausgeleuchtet und erschöpfend dokumentiert worden sind.
Michael Petzels Buch hingegen fokussiert auf Romys Jungmädchenjahre, es entwirft so ein Bild der Reifezeit und fördert dabei Wissenswertes zu Tage. Es geht um die Jahre vor den renommierten (überwiegend französischen) Filmprojekten wie Die Dinge des Lebens und Das Mädchen und der Kommissar. „Die junge Romy — Reifezeit eines Stars“ befasst sich mit den Jahren von 1953 bis 1959. Entsprechend ausführlich dokumentiert wird die Zeit vom ersten Leinwandauftritt in Wenn der weiße Flieder wieder blüht (1953) bis hin zu Robert Siodmaks glücklosem Versuch an den Sissi-Erfolg anzuknüpfen in Katja — Die ungekrönte Kaiserin (1959).
Petzels Publikation präsentiert einiges an Material zu diesem frühen Lebensabschnitt der Romy Schneider in Form zum Schmökern und Schmunzeln einladender Texte. Hier findet der oder die Interessierte Aufschlussreiches zur Filmproduktion der 50er Jahre: Es erinnern sich Zeitzeugen wie Franz Marischka an Ernst Marischka, den Schöpfer der Sissi-Filmtrilogie, und auch der Journalist Billy Kocian. Aber nicht nur der Wiener Kocian, der den Lebensweg der Romy Schneider von Anfang an bis zu ihrem tragischen Ende kontinuierlich verfolgt hat, weiß von der mitunter brüsken Zickigkeit des Stars zu berichten. So verführt das Lesen der Memos der offenbar arg strapazierten Pressedame Margarete Zander allein zum breiten Lächeln. Die Texte Kocians vermitteln Anekdoten im amüsanten Plauderton und haben auch originelle Kuriositäten für den Filmfreund im Gepäck: Wer weiß schon, dass Disney das Rührstück um die junge Queen Victoria, Mädchenjahre einer Königin (1954), unter dem Titel The Story of Vicky herausbrachte? Sehr informativ sind ebenso die den Band beschließenden, ausführlichen Filmografien.
Zusammen mit den eingestreuten Zitaten aus Presseberichten und Filmkritiken resultiert ein facetten- und aufschlussreiches Bild jener frühen Jahre, wobei Sachliches und Unterhaltsames gut gemixt sind, beim Lesen also kaum Langeweile aufkommt. Krönung des großformatigen Buches ist jedoch die außergewöhnliche Fülle der präsentierten, bislang überwiegend unveröffentlichten Bilder. Erfreulicherweise ist eine Vielzahl der Fotografien in Farbe, und auch die Qualität der meisten Reproduktionen kann nur als bestechend bezeichnet werden. Nach den sehr ansprechenden Texten dürfte spätestens hier so mancher Romy-Fan — geschlechtsunabhängig — zusammen mit der Entdeckerfreude über die Masse an praktisch unbekannten Fotos ins Schwärmen geraten. Neben vielen Filmfotos gehören auch Aufnahmen so genannter „Homestories“ dazu. (Hierbei handelt es sich um von Printmedien in Auftrag gegebene Fotoreportagen, die den Lesern Einblicke in das — allerdings klar inszenierte — Privatleben von Stars erlaubten.) Da sieht man Romy nicht nur mit Hotte Buchholz im Schnee, sondern wird auch „Zeuge“ der für ihren weiteren Lebensweg so wichtigen Begegnung mit Alain Delon. Und Schnappschüsse wie „Romy mit Errol Flynn“ zeigen dabei schlaglichtartig über den oftmals bieder-engen innereuropäischen Tellerrand hinaus.
Auf die klassische Frage „wie war Romy wirklich, was ist Maske, und was ist Mensch“ vermag auch dieses Buch natürlich nur sehr begrenzt eine zuverlässige Antwort zu geben. Der Blick auf die frühen Jahre zeigt den jungen Star noch weitgehend unbeschwert, als Leben und Karriere noch nicht von dunklen Wolken überschattet waren. Vom späteren Abschotten gegenüber Journalisten etc. ist bei dem noch weitgehend kindlich-naiv-offenen und unbedarften Backfisch jener Jahre wenig zu spüren. Insofern dürfte das im Buch von Michael Petzel zusammengefügte Porträt der Schauspielerin für diesen frühen Lebensabschnitt zutreffender sein als manches, was aus ihren letzten Lebensjahren zu Tage gefördert worden ist.
Das spätere tragisch-zerrissene Leben der Romy Schneider begegnet einem hier nur in einigen Randbemerkungen. Ein Romy-Schneider-Buch ohne dramatisches Ende also, dazu eines, das keine der schon damals üblichen Sex- und Busenfotos enthält. So mit einem (ironischen) Hauch Biederkeit der Adenauer-Ära versehen, wird die Publikation zum weitgehend optimistischen und zugleich sehr nostalgischen Rückblick auf die Reifezeit seiner Titelfigur. Es beschreibt die Entwicklung eines aufstrebenden jungen Menschen, der sich abnabeln und Ellenbogenfreiheit erkämpfen musste. Einem, dem die Zukunft noch vorbehaltlos als hoffnungsvoll leuchtende Chance erschien, die mit großen positiven Erwartungen verknüpft war. Zum einen bildet die Publikation also eine humorvoll-unterhaltsame Lektüre und zum anderen — durch die, einen besonders breiten Raum einnehmenden, qualitativ hochwertigen Abbildungen — in besonderem Maße einen Bildband von Format. Damit ist das prächtige Buch auch für ganz besonders sensible Leser und Leserinnen — selbst an trüben Novembertagen — vollkommen bedenkenlos zu empfehlen.
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages Schwarzkopf & Schwarzkopf.
Lesen Sie auch unseren Artikel über die Sissi-Filme auf DVD.