Apocalypse Now Redux

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
21. Juni 2003
Abgelegt unter:
DVD

Film

(5.5/6)

Bild

(5.5/6)

Ton

(5.5/6)

Extras

(3.5/6)

Francis Ford Coppola zählt zu den bedeutenden Regisseuren der Gegenwart. Er wurde bis heute fünfmal mit dem Oscar ausgezeichnet – als Regisseur, Produzent oder Drehbuchautor. Die erste Auszeichnung erhielt er im Alter von 31 Jahren für das gemeinsam mit Edmund H. North verfasste Skript zu Franklin J. Schaffners Patton • Patton – Rebell in Uniform (1970); für Drehbuch und Regie bei The Conversation • Der Dialog (1974) erhielt er in Cannes seine erste „Goldene Palme“. Das Regiedebüt erfolgte bereits 1960 mit The Sky Is Calling. Zu Coppolas besonders bekannten Filmen gehören die Trilogie Der Pate (1972, 1974 und 1990), Bram Stoker’s Dracula (1992) und die Grisham-Adaption The Rainmaker • Der Regenmacher (1997).

Coppolas berühmter Vietnam-Film Apocalypse Now entstand unter geradezu abenteuerlichen und teilweise nur als extrem zu bezeichnenden Umständen und überhaupt großen Schwierigkeiten in den Jahren 1976-79. Infolge gewaltiger finanzieller Probleme sah sich der Regisseur genötigt, den Film in einer gegenüber den ursprünglichen Intentionen deutlich stärker am Mainstream-Geschmack orientierten (immerhin 153 Minuten langen Fassung) in die Kinos zu bringen. Rund zwanzig Jahre später, im Jahr 2000, entschloss er sich in Zusammenarbeit mit dem Cutter und Tonspezialisten Walter Murch nicht allein die fehlenden Szenen wieder einzufügen, sondern zu den Anfängen zurückzugehen – wofür im Filmtitel „Redux“ steht – und eine insgesamt nochmals sorgfältig bearbeitete endgültige Fassung seines Films zu erstellen. Das Resultat ist der jetzt um rund 50 Minuten auf 203 Kinominuten verlängerte Apocalypse Now Redux. Der Film hat seit der Uraufführung im Jahre 1979 nichts von seiner in Teilen bedrückenden Wirkung und ebenso wenig an Wucht verloren und ist durch einige der neu hinzugekommenen Szenen sogar noch eindringlicher, insgesamt ein Stück überzeugender geworden.

Apocalypse Now betrachtet den Krieg aus einem philosophischen und mythologischen Blickwinkel. In zum Teil „schrecklich schönen“ Bildern geht es um den Auftrag des Captain Willard (Martin Sheen), der mit der Besatzung eines Patrouillenbootes aufbricht, um den von führenden Militärs für verrückt eingestuften Colonel Kurtz (Marlon Brando) zu eliminieren. Jener hat sich der Kommandogewalt seiner Vorgesetzten entzogen und führt im kambodschanischen Dschungel verschanzt mit seinen brutal operierenden ehemaligen Soldaten ein Schreckensregime und wird sogar von „Charlie“ (Bezeichnung der GIs für die Vietkong-Soldaten) gefürchtet.

Die Männer, die den Auftrag zur Eliminierung von Kurtz erteilen, wirken im Nachhinein kaum minder verrückt und auch die Leute, denen Willard auf seiner Reise begegnet, unterstreichen den Eindruck eines allgemeinen Wahnsinns nachhaltig. Da ist z. B. der von Robert Duvall brillant gespielte skurrile und zynische Colonel Kilgore, der seine Helikopter zu den Klängen von Wagners Walkürenritt zum filmisch meisterlich choreographierten Angriff auf ein vietnamesisches Dorf schickt, bloß weil er (selbst begeisterter Surfer) einen kalifornischen Surfchampion unter den Soldaten – Mitglied der Bootsbesatzung von Willards Kommando – dort beim Surfen beobachten will. „Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen. Das riecht nach Sieg!“ sagt Kilgore und erweist sich damit bereits als halber Kurtz. Vor der Weiterfahrt des Patrouillenbootes stiehlt Willard Kilgore sein geliebtes Surfbrett, das – stimmig – für die hier neu montierte (jetzt erheblich später als in der Erst-Fassung erscheinende) Surfszene gebraucht wird; in welcher der berühmte Rock-Song der Rolling Stones „Satisfaction“ erklingt. Zuerst erscheint dieser Diebstahl als kleines humorvoll-auflockerndes Moment in einem Umfeld des nackten Wahnsinns, aber Kilgore verfolgt den Dieb und seine per Lautsprecher durch den Dschungel hallenden Rufe holen den Zuschauer rasch in den Albtraum zurück.

Dennis Hopper fungiert im Lager von Kurtz als abgedrehter hippiemäßig aufgemachter Photoreporter und zeichnet so ein bitter-sarkastisch-bizarres Bild der 68er Generation. Und auch Regisseur Coppola hat einen kleinen ironischen Auftritt als Fernsehreporter, in dem er die Soldaten – bei für die Heimatfront nachträglich inszeniertem Live-Action-Shooting – auffordert, doch bitte nicht in die Kamera zu schauen.

Aber nicht allein die Moralfrage steht im Zentrum, es geht um das, was in sämtlichen Kriegen eine entscheidende Rolle spielte und auch weiterhin spielen wird: Ausstreuung und Wirkungsweise von Lüge und Doppelmoral. In Form eines eigenwillig bizarren, ja psychotisch anmutenden Bilderbogens, der in Teilen an einen psychedelischen Drogentrip erinnert, wird das Perverse des Phänomens Krieg allgemeingültig. Hierfür stehen unter anderem fundamentale Aussagen, wie die: „Sie lehren die Jungs, Brandbomben auf andere Menschen zu werfen, aber sie verbieten ihnen, das Wort FUCK auf ihre Flugzeuge zu schreiben, weil das unmoralisch sei.“

Joseph Conrad, dessen Roman „Das Herz der Finsternis“ großen Einfluss auf Coppola ausübte, schrieb einmal, er hasse den Gestank der Lüge. Dies spiegelt sich z. B. in einer der neu einmontierten Szenen, die verdeutlicht, in welchem Ausmaß die US-amerikanische Öffentlichkeit damals über den wahren Charakter der Militärintervention in Vietnam desinformiert wurde. Hier gibt Colonel Kurtz Captain Willard seine Auffassung vom Krieg in Form der Worte eines Geheimdienstagenten wieder, der dem US-Präsidenten über die aktuelle Situation in Vietnam berichtete, indem er sagte „Dass die Dinge da drüben sich wesentlich besser anfühlen und besser riechen, als man allgemein hin annehme“. Worauf Kurtz Willard die entsprechende Frage stellt: „Wie riechen die Dinge für Dich, Soldat?“ Weshalb der Film den Titel Apocalypse Now trägt, erfährt der Zuschauer spätestens in den ersten Szenen in Kurtz’ Dschungelfestung, wo eben diese Worte an eine der Mauern geschrieben stehen.

Die beeindruckendste der neuen Szenen ist zugleich (mit rund 25 Minuten) die mit Abstand längste: die morbide, märchenhaft-unwirkliche „Plantagen-Sequenz“. Hier begegnet die amerikanische Bootsbesatzung – eine Art Mikrokosmos, stellvertretend für die amerikanischen Kampfeinheiten in Vietnam – den Idealen und dem Lebensstil der vordem französischen Kolonialherren Indochinas, deren Nachfolge (indirekt) nun die Amerikaner angetreten haben. In der wie ein Traumbild gehaltenen Sequenz – eine surreale Reise in die Vergangenheit – haben die Mitglieder der Familie de Marais und auch die opulente Szenerie etwas sehr Gespenstisches an sich. Die französischen Kolonisten beklagen die nach inneren Protesten nicht energisch genug betriebene und schließlich beendete Intervention des französischen Mutterlandes. Die reaktionär-konservative und gleichsam rückwärtige Denkweise dieser französischen Aristokraten erinnert an vergleichbare Schlüsse entsprechender Kreise im deutschen Reich nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Auch hierzulande wurde eine „Dolchstoß-Legende“ geboren – die Heimat sei den Kämpfenden in den Rücken gefallen. Und ähnliche Gedankengänge sollten auch nach dem verlorenen Vietnamkrieg das angekratzte Image der US-Streitkräfte aufpolieren helfen. In der Kultiviertheit der schönen Bilder setzt die lange Szene einen starken emotionalen Kontrast zu den zuvor gezeigten Massakern und unterstreicht durch ihren interessanten Rückblick das Allegorische und damit das Zeitlose in der Aussage des Films.

Nicht allein hier zeigt sich eindrucksvoll was Regisseur Coppola zur Redux-Version schrieb: „Die neue Version bringt nichts grundsätzlich anderes zur Aussage als die alte. Sie sagt es nur besser, eindringlicher und in einer viel komplexeren Art und Weise. Die Thematik des Films tritt viel deutlicher hervor. Die neue Version decouvriert noch weitaus deutlicher als die alte die Verlogenheit und Doppelmoral mancher politischer Machthaber und richtet sich vor allem an junge Menschen, die von ihnen noch heute losgeschickt werden, um – vorgeblich im Dienst von Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratie – Tod und Verderben über andere zu bringen.“

Das Schlusswort des Films „Madness – Wahnsinn!“ bringt die Botschaft auf den Punkt: Im Krieg geht es roh, unmenschlich, grausam, moralisch verkommen und mitunter gleichzeitig unfassbar grotesk und sinnlos zu. Und damit zeigt der Film eine Parallele zu einem klassischen Kriegsfilm aus dem Jahr 1957: Die Brücke am Kwai. Auch dieser schließt mit exakt derselben Feststellung aus dem Munde des britischen Lagerarztes (Lieutnant Joyce, dargestellt von James Donald). Dieser wird Zeuge des vernichtenden Resultates eines britischen Kommandounternehmens, das eine von britischen Kriegsgefangenen im burmesischen Dschungel unter dem Kommando des ehrgeizigen Colonels Nicholson (Alec Guinness) für die japanischen Besatzer erbaute Eisenbahnbrücke in die Luft sprengt …

Heute, rund 25 Jahre nach der Uraufführung, erscheint der Streifen aktuell wie selten zuvor: im Film symbolisiert Colonel Kurtz das, was heute Osama Bin Laden, Iraks Diktator Saddam Hussein und eventuell weitere Feinde der USA sind; die „freie Welt“ zieht gegen die Terminatoren, das Gute gegen das Böse zu Felde. Auch wenn man das, was nun bekämpft werden muss, zuvor aus machtpolitischem Kalkül analog der berühmten Schlange am eigenen (US-amerikanischen-)Busen genährt hat. Wie sich die Bilder gleichen: Der Despot Saddam ruft auf zum „Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen“, US-Präsident Bush hält im Vorfeld mit entsprechendem Kreuzzugs-Pathos dagegen …

Ein interessantes Pendant oder gar eine Art Epilog zu Apocalypse Now Redux ist der ebenfalls von Francis Ford Coppola inszenierte, weniger bekannte Gardens of Stone • Der steinerne Garten (1987). Hier kommt der Regisseur völlig ohne spektakuläre Gewalt- und Kampfszenen aus, betrachtet den Krieg aus dem Blickwinkel der Daheimgebliebenen, deren gefallene Angehörige auf den so genannten „Heldenfriedhöfen“ ihre letzte Ruhestätte finden.

Apocalypse Now Redux auf DVD

Die DVD präsentiert den Film in sehr überzeugender Bildqualität. Sowohl die Werte für Kontrast, Detailliertheit, Schärfe und auch Farbe liegen nahe beim Optimum. Auch das Farbrauschen fällt erfreulich gering aus, was ebenso für die sehr geringe Körnigkeit des Bildes gilt. Etwas überraschend ist das auf der DVD im Seitenverhältnis von 1 : 2 wiedergegebene Filmbild – im Kino wurde der Film bei der Erstaufführung in 70-mm- bzw. 35-mm-Scope-Kopien und in der Redux-Fassung (zumindest in Europa) in einer 35-mm-Scope-Version mit einem Seitenverhältnis von 1 : 2,35 gezeigt. Argument für diese Format-Wahl ist möglicherweise, dass sich keine wichtigen Bildinhalte außerhalb des gewählten Bildausschnittes befinden. (Der im Zusatzmaterial vertretene US-Kinotrailer ist kurioserweise im korrekten Bild-Seitenverhältnis, also mit deutlich fetteren schwarzen Balken zu sehen als der Film selbst.)

Den Ton gibt’s in einem sehr sauberen und damit überzeugenden AC3-5.1-Tonmix, der sowohl subtil der düsteren Stimmung als auch kraft- und druckvoll den spektakulären Kampfszenen gerecht zu werden vermag. Eine alternative dts-Tonfassung wäre natürlich noch das i-Tüpfelchen gewesen, hätte aber wohl aus Platzgründen auf der Einzel-DVD-Ausgabe nicht mehr untergebracht werden können. Die neu hinzugekommenen Szenen sind erfreulicherweise im Szenenauswahl-Menü mit einem Stern gekennzeichnet.


Mehrteilige Rezension:

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Erschienen:
2002
Vertrieb:
BMG

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