Angela’s Ashes

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
27. Februar 2000
Abgelegt unter:
CD

Score

(4.5/6)

Alan Parkers (Fame • Der Weg zum Ruhm, Mississippi Burning • Die Wurzeln des Hasses) neuester Film Angela’s Ashes • Die Asche meiner Mutter ist die filmische Umsetzung des erfolgreichen biografischen Romans von Frank McCourt. Die Geschichte des Frank McCourt ist ungewöhnlich. Er wird 1934 in New York als Sohn irischer Einwanderer geboren. Seinem willensschwachen, alkoholabhängigen Vater gelingt es nicht die Familie aus dem Elend der Brooklyner Slums herauszubringen. So nehmen die McCourts vor Kriegsausbruch „Abschied von der Freiheitsstatue“ und kehren ins konservative, katholische Irland zurück. Die unter ärmlichsten Bedingungen im Arbeitermilieu gelebten, harten Kindheits- und Jugendjahre der Hauptfigur spiegelt Parkers Film in eindringlichen, atmosphärisch dichten Bildern wider. Trotz der deprimierenden Lebensumstände ist der Film aber keine Abfolge ausschließlich trister und hoffnungsloser Ereignisse, sondern bleibt in der Quintessenz lebensbejahend, indem Pathos, bittere Ironie, aber auch Humor auf urbane und forsche Weise miteinander verbunden werden. Ian McCourt verließ im Alter von 19 Jahren Irland endgültig und kehrte „heim“ nach New York.

Für den Film Angela’s Ashes • Die Asche meiner Mutter hat John Williams eine sehr feinfühlige, intime Tonsprache gewählt, die Lichtjahre vom Sound seiner Abenteuer-Action-Scores entfernt ist. Das Orchester beschränkt sich weitgehend auf die Saiteninstrumente: Außer im Finalstück kommt kein Blech zum Einsatz, nur chorische Streicherbesetzung sowie Soli von Klavier, Oboe, Cello und Harfe – da letztere nicht so voll klingt wie eine übliche Konzertharfe, handelt es sich hier vielleicht sogar um eine echte „irische“. Obwohl die Streicher stark besetzt sind, werden sie nur vereinzelt im Tutti verwendet; insgesamt ist eher kammermusikalische Intimität und Transparenz als Üppigkeit angestrebt. Die Komposition spiegelt die Atmosphäre des Films wider und dient nicht zur Untermalung äußerer Handlungselemente: also fehlt Tonmalerisches völlig, und vom üppigen „typischen Hollywood-Sound“ ist ebenfalls kaum mehr etwas übrig geblieben. Der Tonfall der Musik ist überwiegend herb, das geheimnisvolle Hauptthema hat elegisch-rhapsodischen Charakter, wobei die Komposition zwar melancholisch, aber nicht trostlos klingt. Nicht zuletzt die ausgedehnten, „konzertanten“ Soli von Oboe und Harfe, daneben auch Cello und Klavier, rücken diese Musik stark in Richtung eines autonomen Werkes für den Konzertsaal. Darüber hinaus bietet Track 4 („My Dad’s Stories“) ein reizvolles Streicherpizzicato und Track 8 („The Lones Of Limerick“) ist ein virtuoses Solostück für die „irische“ Harfe. In der Schlussszene des Films, Track 17 („Back to America“), hellt sich die Stimmung zwar merklich auf – ein Hauch des bekannten Hollywood-Williams-Sound ist spürbar –, doch die hinzutretenden Posaunen und auch das Schlagwerk werden nur dezent eingesetzt: So klingt das Finale zwar optimistisch, verzichtet aber auf jegliches Jubelpathos.

Als Inspirationsquelle dienten Williams im Wesentlichen die Komponisten der englischen und amerikanischen Romantik des 20. Jahrhunderts: Hier seien besonders die Thomas-Tallis-Fantasie von Ralph Vaughan Williams und das Adagio für Streicher von Samuel Barber erwähnt. In den genannten Werken findet man einiges vom recht elegisch-rhapsodischen Streicher-Klang der Filmmusik zu Die Asche meiner Mutter, aber auch die herbe Sinfonische Serenade Opus 39 von E. W. Korngold empfiehlt sich zum Vergleich. Williams Freunde, die beim ersten Hören über das Ungewohnte dieser Filmmusik enttäuscht sind, sollten sich etwas mehr Zeit (als üblich) nehmen, dann dürften ihnen auch die weniger plakativen Schönheiten dieser Williams-Musik nicht verborgen bleiben. Die beiden Jazz-Originale (Track 7 und 10) wirken vom Film gelöst mehr anachronistisch denn atmosphärisch – hier hilft Programmieren des CD-Spielers. Erfreulicherweise sind, im Gegensatz zur amerikanischen Ausgabe, auf der deutschen Pressung keine Dialoge enthalten! Besonders störend empfinde ich derartige Spielereien dann, wenn (wie auf der US-CD) Dialog und Musik nicht sauber voneinander getrennt werden. Vom „Übertragen der Filmatmosphäre“ kann da nämlich kaum die Rede sein: Nein, so etwas ist wohl für (fast) jeden (Film)-Musikfreund ausschließlich ein Ärgernis.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Originaltitel:
Die Asche meiner Mutter

Komponist:
Williams, John

Erschienen:
2000
Gesamtspielzeit:
65:53 Minuten
Sampler:
Decca
Kennung:
466761-2

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