Piraten aller Länder vereinigt euch oder Jack Sparrow (wirklich) zum Letzten?
Wirklich tot oder doch nicht? So lautet eine der entscheidenden Fragen im dritten Teil der Piraten-Saga Pirates of the Caribbean — At Worlds End. Und wie sich schnell herausstellt, ist hinter dem Horizont, also da, wo offenbar das Jenseits beginnt, nahezu alles möglich! Allein wieder zurück kommt man von dort nicht so leicht. Vielmehr muss im wahrsten Wortsinn zuerst alles auf den Kopf gestellt werden, um wieder ins Diesseits zurückzufinden. Dabei ist das dazu notwendige Kippen und schließlich perfekte Kentern des Piratenschiffs geradezu köstlich anzuschauen. Augenzwinkernd lässt dabei The Poseidon Adventure (1972) grüßen, und wenn man Sparrow sein Schiff über die Sanddüne ziehen sieht, dann fühlt man sich zudem an Fitzcarraldo (1981) erinnert. Letztlich gilt wohl das, was Piraten-Kapitän Barbossa so analytisch treffsicher zum Thema anmerkt: „Es gibt keine Garantie, dass man zurückkehrt, aber dass man stirbt, das ist todsicher!“.
Alles schon ein wenig zu verrückt bis hierher? Sicher! Aber wie wird dazu bereits im Film festgestellt? „Ihr seid verrückt!“ sagt Lord Cutler Beckett zu Jack Sparrow, der sich geradezu aberwitzig gewagt, mit Hilfe des Rückstoßes einer Kanone, aufs benachbarte Schiff katapultieren will. Und er erhält zur Antwort: „Gott sei es gedankt! Sonst würde das hier nicht funktionieren.“
Auf der anderen Seite ist ein Ausspruch von Kapitän Sparrow geradezu sinnbildend für die mitunter etwas verquere Logik der Filmhandlung, die unter anderem das Magische und Fantasyhafte, z. B. in Form geheimnisvoller, nur ausgefuchst zu „bedienender“ Seekarten, auf die Spitze treibt: „Keine Hoffnung ist trügerisch, solange es einen Narren gibt, der dafür kämpft“ — auch wenn hier letztlich fast jeder gegen jeden kämpft.
Willkommen also auf den Schiffen der Narren, einer quasi Multikulti-Armada sämtlicher Piratengattungen der Geschichte. Der Zuschauer wird entführt auf eine wilde Disney-Park-Achterbahnfahrt. Dabei geht es nicht nur bis ans Ende der Welt und retour, ein finales Duell zwischen den führenden Piratenschiffen, der „Black Pearl“ und dem berüchtigten „Flying Dutchman“ inklusive. Hat deren Kapitän „Krake“ Davy Jones doch Verrat an der guten Sache der aufrechten Vertreter der Piraterie begangen. Angeschlossen dem ebenfalls riesigen Flottenverband des britischen Oberschurken Lord Cutler Beckett, macht er verwerflicherweise Jagd auf die eigene Zunft. Wobei Lord Beckett keineswegs, wie mitunter zu lesen, ein unmittelbar im Auftrag der britischen Regierung Handelnder ist. Er führt vielmehr einen offiziell geduldeten „Privatkrieg“ im Auftrag der East-India-Trading-Company.
Wie bereits in der Besprechung von Hans Zimmers Filmmusik-Album angemerkt, bleibt im dieses Mal fast dreistündigen Ablauf, wie selbst Kapitän Sparrow eingesteht, manches eher unklar. Auch wenn sich so manche Ungereimtheit beim wiederholten Sehen zumindest weitgehend glättet, ist alles letztlich doch etwas sehr sprunghaft geraten. Dabei sind auch gewisse konzeptionelle Längen kaum übersehbar. Das gilt, obwohl die Drehbuchschreiber im fortwährenden wilden Wechsel der Koalitionen von Freund und Feind immerhin gekonnt Raum für einige wirklich ansehnliche, nahezu perfekt umgesetzte Effekt-Sequenzen geschaffen haben. Dabei ist auch die besonders im zweiten Filmteil so überzeugend integrierte, ja geradezu den Reiz des Films bestimmende slapstickhafte Ironie auch im dritten Teil anzutreffen, wenn auch meist merklich zurückgenommener als zuvor.
Nun, zwar ist höllisches Aufpassen angesagt, um nicht selbst auf der Strecke zu bleiben; aber gerade der Käufer der DVD kommt deutlich besser weg: Hat er doch so elegant Gelegenheit, durch beliebige Wiederholung, durch Vor- und Zurückspringen im Film, den Dingen so exakt wie möglich auf den Grund zu gehen. Und wer sich da etwas Zeit lässt, der wird auch von Fluch der Karibik — Bis ans Ende der Welt keineswegs schlichtweg enttäuscht werden. Manches offenbart nämlich erst beim zweiten oder auch dritten Sehen wenn nicht unbedingt Originalität, so doch zumindest einigen Charme. Rasante Unterhaltung ist hier angesagt, nicht mehr! Aber genau dies ist ja mitunter auch exakt das Gewünschte, oder?
Und so gerät, auch wenn zwischendrin wahrlich zu viele Sparrows an Bord sind, die Gesamtbilanz zwar nicht phänomenal, aber doch immerhin sehr respektabel, ist so manches doch sichtbar liebevoll und sorgfältig gemacht und ebenso in Szene gesetzt. Und im rasanten finalen Gefecht im gigantischen Mahlstrom (auch Maelstrom) passieren noch einmal sämtliche Enterschlachten des Piratenfilmgenres augenzwinkernd Revue, werden ironisierend und respektvoll zugleich auf die Schippe genommen. Im dabei auf einem Segel ausgetragenen Duell zwischen Jack Sparrow und Davy Jones, dem Kraken, kommt nochmals The Crimson Pirate • Der rote Korsar (1952) in Erinnerung.
Über die vorliegende Special-Edition (2 DVDs) gibt es durchweg Gutes und sehr Gutes zu berichten. Sowohl das gestochen scharfe, detailreiche und kontrastreiche Bild, aber ebenso der kraftvoll-dynamische, auch in feinsten Klangnuancen Trümpfe ausspielende AC3-5.1-Ton sind top. Beides dürfte wohl die Spitze des im herkömmlichen DVD-Standard Machbaren markieren. Einzig der etwas ungeschickt gesetzte Layerwechsel trübt ein wenig, wenn auch nur für einen Moment, das Vergnügen. Leider ist dieses Mal dem Film kein wählbarer informativer Audiokommentar beigegeben.
DVD 1 mit dem Hauptfilm (identisch mit der Einzel-DVD-Ausgabe) bietet das bereits aus den entsprechenden DVD-Ausgaben der ersten beiden Filmteile bekannte Pannenfeature. Die originellsten Versprecher und Patzer werden zusammengefasst präsentiert. (Das ist drollig anzuschauen, aber es stellt sich nur die Frage, ob das alles wirklich „echt“ oder eher gemacht worden ist.)
Auf der DVD 2 markiert „Anatomie einer Szene“ die Spitze des Gebotenen: Über rund 15 Minuten wird das faszinierende finale Seegefecht im riesigen Strudel detailliert erläutert. Dabei erfährt man unter anderem, dass hierfür eine der größten Hallen der Filmgeschichte gebaut werden musste und erhält recht umfassende Einblicke in den wirklich als monströs zu bezeichnenden Aufwand für diese, im fertigen Film so überaus eindrucksvolle, rund viertelstündige Sequenz. Dahinter bleiben die anderen Kapitel wie „Die Welt des Chow Yun Fat“, „Am Set mit Jack und Keith Richards“ oder „Ein Jack kommt selten allein“ (fast) zwangsläufig etwas zurück, sind aber in jedem Fall ansehenswert. Der Filmmusikfreund dürfte außerdem erfreut sein über „Der Piraten Maestro: Die Musik von Hans Zimmer“ (ca. 11 Minuten) sowie das kleine, knapp fünfminütige Segment zur originellen Piratenhymne „Hoist the Colours“. Im Hauptsegment zur Musik gibt HZ nette Infos zum Entstehungsprozess seiner Musik, die er als Komposition für einen Piratenfilm für Biker, RocknRoll inklusive, etikettiert. Er vermittelt dabei auch ein wenig von der Experimentierfreude mit zum Teil sehr ungewöhnlichen Klängen. Dazu gibts an einer Stelle eine hübsche Batterie exotischer Gongs zu sehen.
Zum Abschluss noch ein originelles Kuriosum: Kaum war der dritte Teil der ursprünglich als Piraten-Trilogie propagierten Reihe über die Leinwände geflimmert, da kochten in der Szene bereits Gerüchte um eine Fortsetzung hoch. Auch ein Titel für einen vierten Teil ist dabei im Gespräch: Pirates of the Carribean — The Fountain of Eternal Youth • Fluch der Karibik — Der Quell des ewigen Lebens. Ob sie also nun wirklich nicht totzukriegen sind, die verfluchten Piraten der Karibik? Egal! Lassen wir uns überraschen! Wie lautet doch die so überzeugende Devise des dritten Films? „Hier geht es nur ums Geschäft!“
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Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2007.
© aller Abbildungen bei DISNEY PICTURES.