Am Ende einer Ära stehen Umbrüche: So auch in Toy Story 3, dem Film, der die 1995 begonnene Spielzeugsaga beschließt. Andy ist inzwischen zum Teenager herangewachsen und steht vor dem Aufbruch ins College. Und das kann die von Sheriff Woody angeführten Toys natürlich nicht kalt lassen, denn was wird nun aus ihnen? Versehentlich landen die Spielsachen, die Andy eigentlich auf den Dachboden bringen wollte, in einem Müllsack. Von dort schmuggeln sie sich herb enttäuscht in einen Karton mit Spenden, bestimmt für den Kindergarten Sunnyside. Doch das, was zuerst wie ein Paradies anmutet, ist nicht so, wie es scheint. Der pink-weiße Plüschbär Lotso, der sie so freundlich begrüßte, entpuppt sich als Chef einer Bande von Unterdrückern, welche sämtliche Spielzeuge in Sunnyside ihrem Willen unterworfen haben. Und die Kita erweist sich als ein Hochsicherheitsgefängnis, aus dem es kein Entkommen gibt.
Elf Jahre nach Toy Story 2 (1999) sind die liebenswerten Helden aus Andys Spielzeugkiste wieder auf der Leinwand und dürfen ihr drittes und wohl auch letztes großes Abenteuer, dieses Mal sogar in 3D, überstehen. Toy Story 3, zugleich der 11. Animationsfilm aus dem Hause Pixar, bietet ein weiteres Mal nicht allein eine perfekte Unterhaltung für Jung und Alt, sondern belegt erneut die ungebrochene Fantasie und Innovationskraft dieser Talentschmiede. Natürlich sind die Figuren in der Mehrzahl vertraute alte Bekannte, aber das heißt für den Film noch längst nicht, dass er einfach nur ein charmanter Aufguss ist. In der wiederum hochkarätigen Umsetzung spielt auch das sehr geschickt eingesetzte 3D-Verfahren eine entscheidende Rolle.
Aber wie immer steht am Anfang, so auch dieses Mal, ein erstklassiges Drehbuch, in dem es einmal mehr um die Ängste von Spielzeugen geht. Ging es im ersten Teil um die zwei Tage im Jahr, wo Spielzeuge fürchten müssen, durch etwas Attraktiveres ersetzt zu werden (Geburtstag ihres Besitzers und Weihnachten), variierte bereits der zweite Film das Thema geschickt. Geht es in Toy Story 2 doch darum, was passiert, wenn Spielzeuge kaputt gehen. Der dritte Teil der Saga bringt die Zukunftsängste von Spielzeugen nun auf den ganz entscheidenden Punkt: Was passiert, wenn unser Besitzer an der Schwelle zum Erwachsensein angekommen ist und uns nicht mehr braucht?
Wenn nun die kleinen Toys ihrem Schicksal entgegen in Aktion treten, dann tun sie dies, wie eh und je, in reizend vermenschlichter Form, in bester Disney-Tradition. Die auf die Figuren projizierten Charaktere sind dabei liebenswert wie immer, und das Umfeld ist dem Zuschauer weitgehend vertraut. Sie agieren aber auf merklich anderem Terrain, und das löst Toy-Emotionen aus, die zum Teil auch den Zuschauer tief berühren. So wirken die an sich unbelebten Gegenstände auch ein weiteres Mal überzeugend, wie lebensechte Mini-Charaktere. Und wie sie es dieses Mal anstellen, die Probleme zu bewältigen, was hier heißt, aus der einem Hochsicherheitstrakt ähnlichen Kita zu entkommen, das ist wiederum schlichtweg grandios geraten. Es ist immer wieder faszinierend, wie es den Pixar-Machern gelingt, vergleichbar mit Oben, letztlich doch ernste, zutiefst menschliche Themen mit Leichtigkeit, viel Humor und ebenso einer gehörigen Portion Gefühl in eine reizende Animationsstory zu verpacken. Das besitzt einmal mehr Pixar-Klasse: Das ist großes Kino, nicht nur, sondern auch für kleine Leute.
Die außerordentliche Kreativität des Pixar-Teams überzeugt somit ein weiteres Mal. Von Überraschung kann man hier kaum sprechen, denn die Pixar-Story kennt keine Flops. Nichts was es auch dieses Mal an Gags und Aktionen zu sehen gibt, wirkt dem zuvor Gezeigten derart ähnlich, dass man dem dritten Filmteil zu attestieren vermag, er sei nur konventionell. Bei den beiden Vorläuferfilmen hatte noch Pixargründer John Lasseter persönlich das Zepter in der Hand. Dieses Mal hat Lee Unkrich (Findet Nemo) auf dem Regiestuhl Platz genommen. Dass es dabei auch weiterhin bruchlos zur Sache geht, liegt zum einen sicher an der Pixar-typischen Perfektion, aber wohl auch mit daran, dass Unkrich bei Toy Story 2 bereits als Co-Regisseur mitgewirkt hat und daher mit den Figuren wie dem Sujet vertraut ist.
]Zum Vertrauten zählen die bereits aus dem ersten Toy Story (1995) bekannten, aus einem Automaten stammenden kleinen Aliens, grüne Quietschfiguren, die schon durch ihre drei Augen hervorstechen. Diese Winzlinge lassen auch hier ihr kollektives „Ooohhh!“ immer perfekt unisono erklingen, sobald sie etwas fasziniert, und das kommt häufig vor. Natürlich treten zu den bekannten auch neue Figuren hinzu. Da ist der etwas linkisch wirkende Ken, ein kalifornischer Beach-Schönling als Puppe, ein Mädchenspielzeug, das mit der zu den Novitäten von Toy Story 2 (1999) zählenden Barbie eine Liaison eingeht. Auch ein eidgenössischer Vertreter ist mit von der Partie: Sepp Stachel, eine drollige Variante des besonders in Deutschland bekannten Igels „Mecki“ in Seppelhosen, der auch wegen seiner Plüsch-Stacheln absolut schmusetauglich ist. Und ein älterer Pixar-Bekannter spiegelt sich in Form eines originellen Zitats: der als einer der Vollstrecker aus Lotsos Leibgarde fungierende finstere Twitch, ein Insektoiden-Krieger. Twitch ist nämlich dem Anführer der bösen Heuschrecken, Hopper, aus Das große Krabbeln (1998) sehr ähnlich geraten.
Das Finale des wiederum äußerst fantasie- und kraftvoll gestalteten und bereits zu Beginn mit einer drolligen Actioneinlage in Westernmanier startenden Animationsabenteuers in Blockbusterqualität gerät für Andy wie auch für die Zuschauer zum äußerst gefühlvollen, berührenden Ende einer Ära. Andy verlässt sein Elternhaus und begibt sich auf die Fahrt zum College. Er nimmt zuvor Abschied von seiner Kindheit, indem er seine geliebten Toys Bonnie, einem kleinen Mädchen aus der Nachbarschaft, schenkt und zusammen mit der Kleinen ein letztes Mal mit all seinen Spielsachen spielt. Anschließend steigt er ins Auto und zieht hinaus in die Welt, auf einer sich weit in die Tiefe des Raumes erstreckenden, mit frühlingshaft frisch und prächtig grünen Bäumen bepflanzten Allee, einer verheißungsvoll erscheinenden Straße des Lebens. Am 29. Juli 2010 ging Toy Story 3 bei uns an den Kinostart und ist unverständlicherweise nur recht bescheiden gelaufen.
Technisch ist Toy Story 3 State of the Art pur: Das gilt für die brillante, fotorealistische Animation und ebenfalls für den vorbildlichen Einsatz des 3D-Verfahrens. Was es hier an tollen, nicht vordergründigen, sondern in die Handlung integrierten Raumeffekten zu sehen gibt, ist auf Topklasse-Niveau, braucht sich — zusammen mit Oben — vor der derzeitigen 3D-Ikone Avatar — Aufbruch nach Pandora nicht zu verstecken, gehört in dieselbe oberste Liga. Mit vielen interessanten Einfällen gespickt und mitunter verblüffend aus der Spielzeugperspektive gesehen, wird die Handlung auch visuell spektakulär vorangetrieben, und das funktioniert vorzüglich, auch ohne dass man die üblichen 3D-Gimmicks bemühen musste. So muss 3D sein/aussehen, wenn es ein interessantes Werkzeug von dauerhaftem Interesse sein und bleiben will.
Und das belegt bereits der den Kinofilm einläutende Vorfilm Day & Night. Derartige Kurzfilme (Shorties) bilden nicht nur den Ausgangspunkt der Disney- und auch der Pixar-Story. Pixar hat diese Miniaturen mittlerweile geradezu zu einem speziellen Markenzeichen entwickelt — siehe auch „Pixars komplette Kurzfilm Collection“. Und da bildet Day & Night, schon allein im technischen Sinne, keine Ausnahme, werden hier doch 2D- und 3D-Animationstechnik raffiniert miteinander verbunden. Die Beantwortung der Frage, was passiert, wenn sich Tag und Nacht begegnen, wird so interessant und markant zugleich beantwortet. Dabei sind die titelgebenden Figuren beide in sehr einfacher 2D-Animation, also völlig flächig, aber zugleich transparent, durchsichtig gehalten. Im Kontrast zur Flächigkeit der beiden Hauptfiguren sind die hindurchscheinenden, gegensätzlichen Welten dreidimensional gehalten. Das macht 3D zu einem geschickt integrierten Teil der filmischen Erzählung und Day & Night zu einer weiteren Kurzfilm-Perle mit Pfiff aus dem Hause Pixar. Es handelt sich um eine fantasievolle wie intelligente Parabel auf den Clash der Kulturen: ein unterhaltsames Plädoyer für Toleranz und Offenheit in der Begegnung mit dem Fremdartigen, das zuerst so irritierend erscheint, im Gewand eines kunstvollen Animationsfilms.
Toy Story 3 auf Blu-ray:
„State of the Art“: Diese, bereits oben im Zusammenhang mit dem Film getroffene Feststellung trifft auch auf die 2 Discs umfassende Blu-ray-Edition zu. Disc 1 enthält den Film in Bild und Ton in absoluter Topqualität. Das HD-Bild besticht durch Schärfe, exzellenten Kontrast, eine Überfülle an Details, und das in satten, in den Übergängen absolut sauber dargestellten Farben. Der auf sämtlichen Kanälen sehr aktive Tonmix steht von Blu-ray in Deutsch als DTS-HD 7.1, in Englisch sogar als DTS-HD Master Audio 7.1 zur Verfügung und rangiert ebenfalls auf Topniveau. Hier gibt’s nicht nur auch subtile direktionale Effekte glasklar zu hören. Auch in den temporeichen, akustisch besonders komplexen Momenten gehen Details des Klanggeschehens nicht unter.
Die auf Disc 1 zusätzlich vertretene kleine Bonikollektion ist übrigens komplett in HD. Neben einer „Heimkino-Optimierung“ finden sich sieben, einen Vorgeschmack auf zukünftige Veröffentlichungen aus dem Hause Disney ermöglichende Trailer, im Segment „Spielzeuge“ kann man einen Blick auf die neuen Spielzeugfiguren des Films werfen, und „Buzz Lightyears Missionlog“ ist ein augenzwinkernder Blick in die Raumstation ISS in Anwesenheit der bekannten Toy-Story-Figur. Darüber hinaus gibt’s auch den oben erwähnten, intelligenten Shortie Day and Night, den man sich keinesfalls entgehen lassen sollte — auch wenn dabei die dritte Dimension des Bildes im Moment (leider) noch nicht für daheim verfügbar ist.
Disc 2 enthält den Hauptteil der umfangreichen Bonikollektion, übrigens überwiegend ebenfalls in HD, und gliedert diese in die Menüpunkte „Familienspaß“, „Filmfans“ und „Spiel & Spaß“. Unter den vertretenen Segmenten finden sich Spiele (unter anderem ein „Großes Toy-Story-Quiz“), „Werbematerialien“, eine „Poster-Galerie“ und weitere kleine Dokus, die bestimmte Aspekte der Produktion beleuchten. Dabei wird auch die Entstehung besonders wichtiger Szenen erläutert, so die rasante Eröffnung in „Aufstellung für den Western-Anfang“ und das berührende Finale in „Wiedersehen Andy“. Nicht vergessen werden darf auch das Feature „Cine-Explorer“: Hier gibt’s überraschenderweise den Film (in HD) nochmals zu sehen. Allerdings nur zusammen entweder mit einem traditionellen Audiokommentar, in dem verschiedene der Animationskünstler zu Wort kommen, oder mit der Blu-ray-typischen High-Tech-Variante, einem interaktiven Audiokommentar von Regisseur Unkrich und Produzentin Darta Anderson. Das Besondere daran sind die parallel zum Kommentar szenenspezifisch erscheinenden Bild-in-Bild-Einblendungen (PIP). Beim Ton hat man an dieser Stelle Platz gespart, denn den gibt es nur in Dolby-Digital-2.0.
Unterm Strich gibt es daher auch in Sachen Boni nichts Entscheidendes zu bemäkeln. Mir persönlich ist allerdings ein breit angelegtes „Making Of“ lieber, das derart organisiert ist, dass die hier nur als einzelne Schnipsel verfüg- und anwählbaren (!) Segmente geschickt vereint und die Einzelteile zusätzlich als Kapitel separat aufgerufen werden können. Das ist zwar auch eine Frage des individuellen Geschmacks, aber es rechtfertigt schon einen leichten Abzug von einem halben Stern in der Wertung.
Disney macht es allerdings schon etwas spannend, indem man Toy Story 3 jetzt erst einmal nur in 2D veröffentlicht hat. Natürlich bietet auch die flache 2D-Version, besonders dank HD, Bilder von vorzüglicher Plastizität und bereitet somit schon sehr viel Spaß. Ohne den zusätzlich möglichen Zugriff auf eine 3D-Blu-ray-Version fehlt dem Ganzen allerdings denn doch das Tüpfelchen auf dem i. Nun denn, da heißt es eben, sich noch ein wenig in Geduld zu üben.
Fazit: Auch der dritte Teil der Toy-Story-Saga ist keineswegs ein flauer Aufguss, sondern ein weiteres Pixar-Produkt der Topklasse, eines, das zugleich „erwachsen“ geworden ist. Seit dem 2. Dezember kann der Film nun auch hierzulande auf Blu-ray und DVD erworben werden, um sein Plätzchen unter dem Weihnachtsbaum zu erhalten oder aber auch schon zuvor genossen zu werden. Toy Story 3 bedient Pixar-typisch wieder einmal perfekt den kindlichen Humor und das eben auf eine Art, dass es auch die Älteren mögen. Der Film verpackt dabei zugleich ein weiteres Mal augenzwinkernd grundlegende moralische Werte und zutiefst menschliche Themen so ansprechend, dass auch, ja gerade die Erwachsenen bei der Stange gehalten werden. Toy-Story-1-&-2-Nostalgie ist dabei bereits inbegriffen.
Auch die technische Präsentation ist gerade in HD, also von Blu-ray, in Bild und Ton einfach grandios. Und wenn im Finale vielleicht auch das eine oder andere Auge feucht werden kann, Toy Story 3 ist keineswegs sentimentaler Kitsch, sondern vielmehr großes Kino echter Gefühle. Von Blu-ray erstrahlt der Film nun auch zuhause in Referenzqualität und ist damit als perfekte Demo und Reklame für HD geeignet, gewiss nicht ausschließlich im Kinderzimmer.
Trotz des FSK-0-Logos sollte man die ganz Kleinen (unter 6 Jahren), insbesondere beim recht düsteren und ungemein spannenden Showdown in der Müllverbrennungsanlage, nicht alleine lassen.
Neben der hier vorgestellten Doppel-Blu-ray-Disc ist Toy Story 3 auch als Single-DVD-Ausgabe und außerdem als vier Discs umfassendes „Combo Pack“ lieferbar, das neben den beiden vorgestellten Blu-ray-Discs noch die DVD und eine Digital-Copy enthält.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2010.
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