Im zunehmend eskalierenden Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten im nordirischen Belfast des Jahres 1971endet für einen völlig unerfahrenen jungen britischen Soldaten, Gary Hook (Jack O’Connell), und seine ebenso wenig auf Kriegsgräuel vorbereiteten Kameraden gleich der erste Einsatz im Chaos. Gary entstammt, wie wohl viele seiner Kameraden, aus eher prekären Verhältnissen und hat abseits der Armee kaum Chancen, einen Job zu bekommen. An sich sollten die britischen Soldaten nur eine polizeiliche Hausdurchsuchungsaktion unterstützen. Dabei kommt es aber unverhofft zu einem massiven Auflauf wütender Bürger, und die Situation gerät rasch völlig außer Kontrolle. Der Anführer der Briten, ein ebenfalls junger, unerfahrener Offizier, hatte es gut gemeint: Um vor den Zivilisten weniger martialisch zu erscheinen, hatte er anstelle von Helmen und Schutzschilden ausschließlich Barette befohlen, und das rächt sich nun.
Im entstehenden Handgemenge läuft ein irischer Junge mit einem entwendeten Schnellfeuer-Gewehr davon. Gary und einer seiner Kameraden nehmen die Verfolgung auf, worauf sich die Ereignisse überschlagen. Garys Kamerad wird von einem IRA-Mann erschossen und er selbst muss anschließend geschlagen und getreten, noch vom Blut seines toten Kameraden besudelt, flüchten. Parallel dazu sieht sich seine Einheit und ebenso die Polizei einem mörderischen Hagel von Pflastersteinen ausgesetzt und muss überstürzt das Feld räumen.
Auf seiner Odyssey durch die ihm völlig fremden Straßen Belfasts sieht Gary durch einen Zufall in einem Pub etwas, dessen er nicht hätte Zeuge werden dürfen. Jetzt wollen ihn auch die Leute des britischen Militärgeheimdienstes am liebsten tot sehen und treiben mit dem jungen Offizier und Garys Kameraden, die ihn retten wollen, ein doppeltes Spiel …
Mit seinem im Original schlicht ‘71 betitelten ersten Kinofilm hat Regisseur Yann Demange, der sich bereits mit der TV-Serie Top Boy sozialkritischer Thematik zuwandte, ein kleines, aber sehr beachtliches, so spannendes wie eindringliches, Kinodebut abgeliefert. Es geht um das, was (jungen) Leuten in Kriegen oder auch bei Konflikten passieren kann, die – wie auch der Nordirlandkonflikt – offiziell nicht als Krieg benannt werden. Letztlich erweisen sich diese fast immer als brutal-dreckige Angelegenheit. 1971 war das Jahr, wo es im Nordirland-Konflikt die ersten toten britischen Soldaten seit dem Irischen Unabhängigkeitskrieg (1919 – 1921) gab.
Jack O’Connell in der Rolle des Protagonisten kommt sehr gut herüber. Dabei sind die Rollen von Iren ausschließlich mit irischen, die von Engländern ebenso konsequent mit englischen Darstellern besetzt, was neben dem gewählten dokumentarischen, mit viel Handkamera durchsetzten Aufnahmestil für eine besonders intensive Atmosphäre sorgt. Beim guten Gesamteindruck spielt eine mitentscheidende Rolle, dass der Film erkennbar um Neutralität bemüht ist, die beteiligten Parteien als Faktum, ohne unterschwellige Wertungen darstellt.
Auf der Berlinale 2014 wurde ‘71 sowohl für den Goldenen Bären als auch in der Kategorie „Best First Feature Award“ nominiert.
’71 – Hinter feindlichen Linien von Blu-ray in HD
Die HD-Präsentation ist solide. Dem bereits erwähnten ausgeprägt dokumentarischen Handkamerastil dürfte geschuldet sein, dass die mitunter leicht vergrieselten Bilder vom bei HD üblicherweise erwarteten Hochglanz-Look ein merkliches Stück entfernt sind und Spitzenwerte nicht erreicht werden. Kontrast und Schärfe liegen auf leicht schwankendem, ordentlichem bis gutem Niveau. Mitunter ist auch der Schwarzwert etwas zu hell.
Der 5.1-Surround-Tonmix erweist sich als sehr sorgfältig ausbalanciert. In einzelnen Actionmomenten (z.B. bei der in einem Pub explodierenden Bombe) gibt’s auch mal kraftvoll was auf die Ohren.
Etwas unzulänglich geraten ist die Bonikollektion, die neben Trailern allein mit einer Reihe von Interviews der Macher sowie einem B-Roll-Video aufwartet. Hier zeigt das Fehlen von die politischen Hintergründe des Nordirlandkonfliktes näher bringendem Dokumentarmaterial zwangsläufig eine schmerzliche editorische Lücke auf. Das dieses wohl nicht ohne erheblichen zusätzlichen Kostenaufwand für den Anbieter der Blu-ray hätte geschlossen werden können, darf man dabei freilich nicht ausblenden.
Fazit: Regisseur Yann Demange hat in seinem Kino-Debüt die Mechanismen von Gewaltausbrüchen ambitioniert und eindringlich in Szene gesetzt. Ein gewisses Problem liegt m.E. aber darin, dass der den Hintergrund bildende komplexe Nordirlandkonflikt, dessen Vorgeschichte weit zurückreicht, hierzulande bestenfalls in ganz groben Umrissen geläufig ist. Das fehlende Wissen um die Hintergründe erschwert dem Zuschauer insbesondere im letzten Filmdrittel dem etwas verwirrend erscheinenden Ränkespiel der agierenden Figuren zu folgen. Was auch bei unvorbereitetem Ansehen in jedem Fall bleibt, sind die ausgeprägten Thriller-Aspekte des Szenarios, die unmittelbar mitreißen dürften.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.