King Arthur

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
12. August 2004
Abgelegt unter:
CD

Score

(2/6)

Jerry Bruckheimers neuestes Kino-Event King Arthur befasst sich mit der Legende um den sagenhaften König und die Ritter der Tafelrunde im England des frühen Mittelalters. Dass es deren nur 7 statt 12, wie gewohnt, sind, liegt am Drehbuch von David Franzoni, der offenbar an seinen Erfolg mit Gladiator anknüpfen möchte. Dem Film eilt der Ruf voraus, in der Umsetzung auf deutlich mehr Authentizität Wert zu legen als seine Vorläufer, beispielsweise Knights of the Round Table (1953), Excalibur (1981) und First Knight (1995). So legt King Arthur in seinem Titelhelden immerhin eine — wenn auch die abenteuerlichste — der unter Fachleuten diskutierten Thesen zugrunde, die zur Historizität dieses im Laufe der Zeit gewachsenen Mythos’ existieren.

Regisseur Antoine Fuqua bemüht allerdings wohl trotzdem nahezu sämtliche lieb gewordenen Details der berühmten Artus-Saga, wie auch das sagenhafte Schwert Excalibur. Bei einem derartigen, wahrscheinlich aus verschiedenen lebenden Vorbildern resultierenden, legendenhaften Stoff historische Wahrheit zu erwarten, ist natürlich (zu) viel verlangt. Allerdings lässt das vorab zu Sehende nicht allein auf eher halbherzige Genauigkeit im historischen Zeitkolorit schließen, sondern teilweise geradezu fantasyhafte Freizügigkeiten vermuten. So modern und offensichtlich sexy wirken die tapferen Recken und ebenso die als eine Art kampfbereite Amazone präsentierte spätere Königin Guinevere. Ob man derartigen Verfilmungen damit allerdings wirklich gut tut, ist zumindest strittig — siehe auch „Hollywoods Traum von Rom“. Wie dem auch sei, der (nachfolgend näher beschriebene) Hadrianswall als Gegenstand eines Sandalenepos ist in jedem Fall eine echte Novität, die für manchen allein schon als Rechtfertigung eines Filmbesuchs ausreichen dürfte.

Dieses Mal darf Artus als Kommandant römischer Hilfstruppen, als Führer einer Gruppe von Sarmaten agieren, einem von den Römern bereits in der Zeit Marc Aurels (etwa 175 nach Christus) unterworfenen osteuropäischen Reitervolk. Die Zeiten sind inzwischen aber deutlich stürmischer geworden. Am Anfang des fünften Jahrhunderts liegt der Westteil des römischen Weltreiches in den letzten Zügen. Er ächzt unter dem Ansturm der Barbaren aus sämtlichen Himmelsrichtungen und räumt im Jahr 410 gezwungenermaßen seine nordwestlichste Kolonie, das heutige England. Die Römer überlassen damit ein schon seit einigen Jahrzehnten verstärkt von äußeren Feinden bedrohtes Territorium sich selbst.

Die Nordgrenze des römischen Einflusses im heutigen Großbritannien markierte und sicherte der auf Befehl von Kaiser Hadrian zwischen 122 und 132 erbaute so genannte Hadrianswall (auch die Pikten-Mauer genannt), gelegen nahe der heutigen Grenze zwischen Schottland und England. Es handelte sich dabei um ein eindrucksvolles, rund 120 km langes steinernes Bollwerk, das ca. 3 Meter breit und zwischen 4 und 5 Metern hoch war. Versehen mit Wachtürmen, Toren und einem System römischer Kastelle erfüllte das gewaltige Bauwerk über immerhin rund 300 Jahre (!) seinen Zweck. Reste davon sind noch heute zu sehen. In erster Linie diente der Hadrianswall als Sperrriegel zur Abwehr der Skoten und der besonders wilden Krieger der „blau bemalten“ Pikten — gegen die Lancelot in Die Ritter der Tafelrunde ebenfalls zu Felde ziehen muss. (Das Volk der Schotten ging übrigens erst etwa 400 Jahre später aus Skoten und Pikten hervor.)

In Bruckheimers Film geht’s dafür trendig zu: Arthur ist Leader berittener römischer Special-Forces, die eine Art „unmöglichen Auftrag“ erhalten: Sie sollen angesichts des römischen Rückzuges vor dem schützenden Hadrianswall, also im brodelnden Feindesland, eine letzte wagemutige Such- und Rettungsaktion durchführen.

Bruckheimer setzt den Komponisten sehr enge Grenzen bei der Realisierung eigener Vorstellungen, das ist ja hinlänglich bekannt — siehe auch Fluch der Karibik. Hans Zimmer und seine Media-Ventures-Crew zählen zu seinen besonderen Lieblingen. Wie auch immer: King Arthur zeigt sich nicht nur als typisches, sondern zugleich sehr uniformes Produkt der Media-Ventures-Klangschmiede. Dank Samples, klanglicher Verfremdungen und Halleffekte sowie synthetisch aufgeblasenem Bassfundament bekommt der Käufer den pastösen „epischen“ Zimmer-Sound, den er nicht erst seit Gladiator zur Genüge kennt. Dieses Mal klingt das letztlich (wohl unter Mitwirkung des Maestros) im Tonstudio zusammengemixte Resultat aus unerfindlichen Gründen sogar besonders hallig, und damit verschwimmen auch die Reste von Kontur zu einem schnell als etwas lärmend empfundenen Klangbrei.

Insgesamt ist ausgiebiges Déjà-vu im Angebot. Über allem dominiert der besagte Gladiator, dieses Mal allerdings ohne Holstschen „Mars“ in den Schlacht- und Actionteilen. Vielmehr fallen eindeutige Anleihen (!) bei The Last Samurai auf, die sogar die japanische Bambusflöte Shakuhachi integrieren und sogar der armenische Duduk ist mit von der Partie. Zusammen mit einigen keltischen Instrumenten resultiert daraus ein fast schon obskurer Ethno-Mix. Gegenüber dem Gladiator sind die musikalischen Akzente merklich zu einem noch stärker archaischen Klangeindruck verschoben. Dies äußert sich in den Chören im betonten Einsatz von Männerstimmen und ebenso übermäßig viel (synthetisch verstärkter), dieses Mal besonders harsch anmutender Rhythmik. Im Vergleich dazu erscheint der Gladiator sogar als relativ „elegant“. Durch die (wiederum teilweise verfremdeten) Männerchöre klingt King Arthur mitunter schon fast ein wenig nach Mütterchen Russland und damit nach Crimson Tide. Bestenfalls könnte man hier noch einen Hauch (nicht mehr) von mittelalterlicher Gregorianik attestieren.

Ruhigere Musikpassagen sind allerdings nur kurzzeitig im Angebot. So in „Hold the Ice“, wo sie rasch wieder über die hinlänglich gewohnten hymnischen Einlagen in den ebenso zur Genüge bekannten pathetischen Bombastsound mit üblicher popinspirierter Rhythmik übergehen. Das etwas blasse Hauptthema ist als Song „Tell Me Now“, interpretiert von Moya Brennan, dem Album als eine Art Ouvertüre vorangestellt. Dieses Lied ist zwar passabel anhörbar, aber ihm fehlt zum Hit m. E. eine gehörige Portion Pep. Im Score besitzt das Thema ebenso einfach zu wenig Prägnanz, wirkt eher dezent blässlich. Dass mit ihm im Laufe der rund 60 CD-Minuten nur wenig passiert, ist ebenso Zimmer-typisch und sei daher nur der Vollständigkeit halber angemerkt. Wer eine Gladiator-et-al-Replik und betont barbarische (allerdings sehr breiig klingende) Schlachtplatte haben möchte, dürfte zufrieden gestellt werden, wer hingegen eine thematisch und/oder motivisch überzeugend durchgearbeitete und/oder gar in Teilen originelle Filmmusik möchte, wird eher enttäuscht.

Die Bilanz der schon länger wohl primär als Ensemblearbeiten statt reiner Zimmer-Kompositionen anzusehenden Produkte des Hauses Media Ventures fällt somit doch recht ernüchternd aus — dieses Mal sind offiziell Glennie-Smith und Gregson-Williams als mit von der Partie genannt. Die eindeutigen Tendenzen zu einem absolut standardisierten, kaum inspirierten und mittlerweile fast beliebig austauschbaren Einheitssound dürfte inzwischen eigentlich kaum noch jemand übersehen oder besser überhören können. Allzu geringfügig differieren die angewendeten musikalischen Mittel in der Gestaltung des monumental Epischen, man vergleiche nur mit Fluch der Karibik. Die immerwährende Schlichtheit in der Satztechnik, das fast ausschließliche Unisono der Stimmen sowie die an Popästhetik ausgerichtete geringe dynamische Differenzierung in der Musik werden vom fortwährenden Hang zu eher schlicht gestaltetem klanglichem Bombast nur äußerst unzulänglich kaschiert, eher noch mit Wucht erschlagen.

Von den zwar sehr freien, aber doch immer wieder raffiniert, individuell und auch vielfältig ausgeführten Spiegelungen musikalischen Zeitkolorits vergangener Epochen in den Scores eines Miklós Rózsa wagt man hier nicht einmal mehr zu träumen — siehe hierzu Diane. Die in Serie gebotenen schlichten Ableger poppiger Rhythmik vermögen dafür allerdings kaum zu entschädigen, was auch für die kaum weiterentwickelten klanglichen Schichtungen zutrifft. Dies ist m. E. zum historisierenden Ansatz Rózsas eben doch nicht wirklich eine annähernd gleichwertige moderne Alternative. Diese Musik ist in Teilen zwar ganz unterhaltsam anhörbar, aber letztlich doch „nur“ simpel und immer nur am Mainstream-Hörer orientiert gestrickt. In den Media-Ventures-Musiken tritt damit besonders in letzter Zeit in immer stärkerem Maße weitgehende Beliebigkeit hervor. Ebenso wird das Ethnische mittlerweile anscheinend nahezu rein willkürlich zusammengeklaubt (s. o.), mit wahrhaft fantasyhaftem Resultat.

Wertungstechnisch erscheinen mir für die Musik-CD zweieinhalb Sterne schon als das absolut Höchste der Gefühle. Gegenüber Gladiator und The Last Samurai halte ich glatte „zwei“ für eindeutig treffender, da diese Scores in Teilen doch mit etwas mehr handwerklichem Geschick abwechslungsreicher gestaltet sind. Zudem warten sie dank überzeugenderer melodischer Einfälle mit eindeutig mehr Hörqualitäten auf.

Komponist:
Wilden, Gert Junior

Erschienen:
2004
Gesamtspielzeit:
57:50 Minuten
Sampler:
Hollywood
Kennung:
5050467-4664-2-5

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