Kleine Klassikwanderung 18: MERCURY LIVING PRESENCE und LIVING STEREO, jetzt auch auf SACDs

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
5. Januar 2005
Abgelegt unter:
Special

Auch im noch frischen neuen Jahrtausend erinnern sich die Labels ihrer klassischen Archiv-Schätze aus der Frühzeit der Stereofonie. Nach den CD-Editionen der 1990er gibt es jetzt erste Staffeln dieser klassischen Aufnahmen komplett neu, mit modernster Digitaltechnologie überspielt sowie auf SACD veröffentlicht.

Die RCA-HiFi-Legende Living Stereo gibt sich auf Cinemusic.de nicht das erste Mal ein Stelldichein. Bereits vor rund drei Jahren ist zu den verdienstvollen CD-Wiederveröffentlichungen dieser Pioniertaten in Sachen HiFi-Stereotechnik ein ausführlicher Artikel erschienen – „Kleine Klassikwanderung Nr. 4“. Dort finden sich auch eingehendere Informationen zur Geschichte dieser Einspielungen. Drum soll an dieser Stelle die ebenso bedeutende Historie von Mercury Living Presence kurz beleuchtet werden.

Die ausgehenden 40er Jahre waren auch in der Tontechnik eine Zeit des Umbruchs. 1948 erfolgte die Ablösung der 78er Schellackplatte durch Einführung der „45er“ von RCA Victor und der mit 33 Umdrehungen pro Minute rotierenden Mikrorillenlangspielplatte (LP) von Columbia. Richtungweisend für die neuen Tonträger wurde die 1949 in den USA eingeführte (ursprünglich als Kriegsbeute aus Deutschland stammende) und durch den 1940 entdeckten Effekt der Hochfrequenz-Vormagnetisierung entscheidend verbesserte Magnettonbandtechnologie. Diese verbilligte und vereinfachte den Aufnahmeprozess (auch durch den Einsatz mobiler Geräte) so erheblich, dass sich erstmalig abseits der großen Label auch unabhängige Firmen auf dem Markt etablieren konnten. Die 1945 als Pop-Label gegründete Firma Mercury Records begann ab 1950 ins Klassikgeschäft einzusteigen. Mit der Geschichte der in den folgenden Jahren realisierten Einspielungen sind besonders zwei Personen verbunden: Der Toningenieur C. Robert (Bob) Fine und seine spätere Frau, die Orchester-Managerin Wilma Cozart. Eine Schlüsselrolle in der Aufnahmetechnik übernahmen übrigens von Bob Fine favorisierte Telefunken-Mikrofone, wie das U-47, mit dessen Hilfe zuerst vorzügliche HiFi-Mono-Aufnahmen (!), ab 1955 dann dreikanalige Stereo-Einspielungen erfolgten: Dabei wurde im Prinzip das zentrale Mono-Mikro durch zwei seitliche (Stütz-)Mikrofone ergänzt. Das dreikanalige Tonsignal wurde anschließend behutsam auf zwei Tonkanäle reduziert. Mercury zeichnete übrigens – ebenso wie die großen Filmstudios – viele seiner Aufnahmen auf dem damals die Spitze des Machbaren bildenden 35 mm breiten Magnettonfilm auf. Auf die (etwas reiferen Lesern sicher noch geläufigen) extremen Rechts-/Linkseffekte so mancher Stereo-LP der 60er Jahre hat man dabei allerdings nie Wert gelegt. Vielmehr ging es um eine möglichst natürliche Reproduktion des Konzerterlebnisses Musik. Wie hervorragend dies schon damals – mit nur wenigen Mikrofonen! – gelingen konnte, davon legen die aktuellen Editionen besonders eindeutig Zeugnis ab.

Auf das Konto von Wilma Cozart gehen neben der Mitwirkung an den Aufnahmesitzungen die Verträge mit Künstlern wie dem Komponisten Howard Hanson, der als Leiter der Eastman School of Music einen Exklusivvertrag mit Mercury unterzeichnete. Vergleichbares galt für das Detroit Symphony Orchestra und seinem (damals) neuen Chef Paul Paray und ebenso sollte auch der Dirigent Antal Dorati, seinerzeit Chef des Minneapolis Symphony Orchestras, eine markante Rolle spielen. Seinen Einspielungen mit dem London Symphony Orchestra ist es zu verdanken, dass das seit den 70er Jahren wie selbstverständlich als Spitzenklangkörper etablierte Orchester diesen Ruf begründen konnte.

Mit Hilfe eines zum Aufnahmewagen um- und ausgerüsteten LKWs wurden nicht nur Doratis Londoner Dirigate eingefangen. Das Mercury-Aufnahmeteam bereiste ganz Europa, nahm beispielsweise in Wien das nachfolgend vorgestellte Respighi-Album mit der Philharmonia Hungarica auf. Und im Frühjahr 1962 standen trotz des Kalten Krieges 10 Tage Moskau auf dem Programm. Es entstanden Aufnahmen für fünf LPs, unter anderem mit dem 80-köpfigen russischen Balalaika-Ensemble „Osipow“. Und als Howard Taubman, der damalige Chef-Musikkritiker der New York Times schrieb, dass man sich beim Abhören der Schallplatten wie in der lebendigen Gegenwart des Orchesters fühle, war auch ein zur späteren Legende taugender Name geboren: Mercury Living Presence.

Paul Parays Ausflug ins französische Repertoire mit Stücken von Chabrier und Roussel zeigt hinreißendes Gespür für die vielfältigen Klangfarben dieser ebenso reizvollen wie eingängigen Musik und lässt dabei keineswegs Vitalität oder Energie vermissen. Wer’s nach dem Ausgangspunkt aller Weltmusik, dem berühmten Chabrier’schen Espaňa (von Emil Waldteufel rasch „geklaut“ und zum ebenfalls weltbekannten Walzer umfunktioniert), immer noch nicht glaubt, der dürfte spätestens nach dem Genuss der Ouvertürenkollektion von Suppé & Auber überzeugt werden: Selten bekommt man (nicht allein) die unverwüstliche „Leichte Kavallerie“ derart präzise und zugleich schmissig aufgespielt dargeboten.

Antal Doratis Interpretationen russischer Musik von Rimsky-Korsakoff und Igor Strawinsky mit dem LSO sind ein feuriger, klangsinnlicher Ohrenschmaus, der den Vergleich mit späteren Konkurrenzeinspielungen keineswegs fürchten muss. Sowohl effektvolle Promenadenkonzertpiècen, wie die Ouvertüre „Russische Ostern“ und ebenso das in allen Orchesterfarben schimmernde Ballett „Der Feuervogel“ vermögen noch nach fast 50 Jahren – nicht nur aufnahmetechnisch – zu begeistern. Für mich ist die brillant dargebrachte Orchestersuite aus der Oper „Der goldene Hahn“ ein Favorit. Dazu bieten Respighis drei Suiten „Alte Tänze und Arien“ reizvoll-dezenten, aber keineswegs langweiligen Kontrast. Doratis Einspielung (mit der Philharmonica Hungarica) dieser reizenden Orchester-Arrangements alter Lautenmelodien des frühen Barock (mit zeitgemäß modernen Untertönen) ist nicht nur ein Klassiker des Repertoires, sie zählt zu den schönsten Einspielungen dieser Stücke überhaupt. Und nicht erst bei Howard Hansons eingängiger zweiter Sinfonie, welche die Bezeichnung „Romantische“ trägt, sollte der Filmmusikfreund hellhörig werden – mit einem Ausschnitt aus Hansons nordisch angehauchter, sehr melodischer Musik ist der Abspann von Alien (1978) unterlegt worden. Der Komponist dirigiert die hier eingespielten eigenen Werke vorbildlich, geht zupackender zu Werke als Gerard Schwarz in seinen durchaus soliden, aber etwas behäbig anmutenden Aufnahmen mit dem Seattle Symphony Orchestra.

BMG veröffentlichte parallel zu Universals Mercury-SACD-Editionen die erste Staffel Titel aus seinem ebenso renommierten Living-Stereo-Katalog. Im Angebot sind Einspielungen unter großen Namen, wie Charles Munch, Fritz Reiner und Pierre Monteux. Zu den seinerzeit bereits in Form der älteren CD-Ausgaben vorgestellten Einspielungen brauche ich mich hier nicht zu wiederholen. Zu den erstmalig auf Cinemusic.de erscheinenden Titeln der Reihe zählen unter Fritz Reiner sowohl das Bartók- als auch das Richard-Strauss-Album. Bartóks rhythmisch akzentuierte, folkloristisch geprägte, sehr farbige und auch thematisch inspirierte Musik ist hinreißend, besonders, wenn sie derart packend interpretiert wird wie hier. Der Einsteiger dürfte es mit dem „Konzert für Orchester“ und den „Ungarischen Skizzen“ besonders leicht haben. Mussorgsky-Ravels „Bilder einer Ausstellung“ sind eine klangprächtige und abwechslungsreiche Studie in bildhaften orchestralen Stimmungen, äußerst farbig instrumentiert. Eine Sammlung effektvoller Zugabestücke wie die Ouvertüre zu „Colas Breugnon“ von Dmitri Kabalewski ergänzt die Spieldauer auf satte rund 71 Minuten und bietet bekannte Ohrwürmer, mitreißend gespielt. Und Effektvolles findet sich selbstverständlich auch in den ebenso berühmten Richard-Strauss-Werken „Also sprach Zarathustra“ und „Ein Heldenleben“. Beide bekommt man hier in Interpretationen geboten, die ebenso legendär sind wie die mit ihrer Aufzeichnung verbundene Living-Stereo-Technik.

Dem stehen auch die Einspielungen unter Charles Munch qualitativ nicht nach. Die mit dem Geiger Jascha Heifetz aufgenommenen Violinkonzerte Beethovens und Mendelsohns zählen auch heute noch zum Besten, was der Katalog zu bieten hat. Munchs hier vertretener Ausflug in die französische Musik enthält mit der „Orgelsinfonie“ von Camille Saint-Saënts ebenfalls eine der eindrucksvollsten Darbietungen dieser herrlichen Musik, deren vierter Satz unter anderem auch in Ein Schweinchen namens Babe verwendet worden ist: Diese CD trägt die Bezeichnung „HiFi-Spectacular“ zurecht. Und Pierre Monteux und das Bostoner Sinfonieorchester beschließen den Reigen mit einer ebenso glanzvoll wie sinnlich ausgeführten Interpretation von Tschaikowskys „Pathetique“.

Für die hier vorliegenden SACD-Editionen sind die alten Originaltonmaster komplett neu, mit modernster DSD-Technologie transferiert worden. In der Oktober/November-Ausgabe der Zeitschrift „The Absolute Sound“ liefert der mit dem Remastering der Living-Stereo-Aufnahmen betraute Toningenieur Fred Kaplan von „Sound/Mirror“ dazu interessante Ausführungen. So führt Kaplan an, dass frühere Aufnahmetechnologie deutlich besser war als die in der Postproduktionsphase (Abmischung) notwendige Wiedergabetechnologie, was natürlich zwangsläufig Qualitätsverluste beinhaltete – was auch mit der deutlich blasseren Qualität der ersten CD-Veröffentlichungen dieser Reihe (RCA-Gold-Seal) zusammenpasst. Diesen lagen offenbar die alten, für die LP’s angefertigten Abmischungen zugrunde.

Daraus ergibt sich, dass auf den Original-Magnetton-Mastern der Aufnahmesitzungen „mehr drauf“ ist, als bislang hörbar gemacht werden konnte. Ebenso erläutert Kaplan die Probleme mit der damals noch nicht fixiert, sondern experimentierend eingesetzten Aufnahme-Entzerrung – eine Art früher Vorläufer des späteren Dolby-Verfahrens zur Rauschverminderung. Ähnlich wie beim Dolby-Verfahren wurde aufnahmeseitig der Signalpegel im Bereich des Bandrauschens angehoben. Bei der Wiedergabe wird der Effekt umgekehrt und damit auch das Bandrauschen abgesenkt. Dies funktioniert allerdings nur dann korrekt, wenn die jeweiligen Einstellungen sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Wiedergabe exakt reproduziert werden. Dies muss bei den zurückliegenden Editionen infolge schlechter Dokumentierung oftmals nicht zuverlässig oder überhaupt nicht der Fall gewesen sein. Die in einigen Fällen im Hörvergleich bei den Ausgaben der 90er merkliche Überbrillanz, dezente Rauheiten sowie eine gewisse Basslastigkeit des Klanges wären somit erklärbar. Und natürlich ist man sich darüber klar, dass auch an diesen sorgfältig archivierten, unwiederbringlichen Audioschätzen der Zahn der Zeit nagt, diese also in bestmöglicher Qualität für spätere Generationen digital erhalten werden müssen.

Erstmalig bieten die Veröffentlichungen auf dem High-Tech-Tonträger SACD, neben dem zweikanalig abgemischten Stereo-DSD-Signal im Mehrkanal-DSD-Bereich zusätzlich die Möglichkeit der dreikanaligen Wiedergabe. Letzteres kommt dann dem sehr nahe, was seinerzeit im Aufnahmeraum zu hören gewesen ist. Auch hat man sich beim Überspielen allein auf die Korrektur einzelner Fehler und hörbarer Ton-Schnitte beschränkt. Der Klang wurde weder entrauscht noch aufpoliert und ebenso hat man bewusst auf verfälschende Spielereien wie künstlichen Hall auf den rückwärtigen Kanälen verzichtet. Gerade deswegen zählen für mich diese eher puristischen SACD-Produkte zum Ehrlichsten und damit auch Überzeugendsten, das der High-Tech-Tonträgermarkt abseits des Marketingrummels um die neu zu etablierenden digitalen Tonträger SACD und DVD-Audio derzeit zu bieten hat.

Und last but not least erhält der Käufer bei SACD noch eine dritte Möglichkeit der Wiedergabe: eine zweikanalige Variante im CD-Standard, die also in jedem üblichen Player abgespielt werden kann. Letzterer liegt bei den Living-Stereo-Editionen das neu gemixte zweikanalige DSD-Signal zugrunde. Bei den Mercury-Editionen liegt die Philosophie etwas anders: Hier hat man auf die von Wilma Cozart Fine Anfang der 90er für die Wiederveröffentlichungen auf CDs produzierten Transfers zurückgegriffen.

Im Zuge eingehender Hörsitzungen inkl. dem Vergleichen von „alt und neu“ ausgewählter Musikteile zeigten sich mehr oder weniger markante Klangunterschiede, die man durchweg als klangliche Verbesserungen der neuen gegenüber den alten Ausgaben ansehen darf. Natürlich muss man dazu bemerken, dass es sich hier um Differenzen auf einem sehr hohen Qualitätsniveau handelt. Keinesfalls haben es die ebenfalls sorgfältig produzierten Ausgaben der letzten Dekade des vergangenen Jahrhunderts verdient, jetzt als „schlecht“ hingestellt zu werden. Nein! Aber der technische Fortschritt bietet bei den SACD-Ausgaben schon reizvolle zusätzliche Möglichkeiten und Anreize, selbst für den, der seine bestehende HiFi-Anlage erst mittelfristig aufbohren möchte. Denn selbst die CD-Variante der Living-Stereo-Ausgaben auf SACD bringt es schon an den Tag: macht bei den neuen Überspielungen den Zuwachs an Transparenz und Luftigkeit des Klanges spürbar. Entsprechendes gilt, wenn man zuerst vielleicht zwar das erforderliche Multitalent an Player besitzt, aber der vorhandene Verstärker (noch) nicht mitzieht, man sich also erst einmal mit dem zweikanaligen DSD-Ton begnügen muss. Bereits dabei kommt schon sehr viel Freude auf.

Besonders bestechend ist bei den Living-Stereo-SACDs das Beethoven-Violinkonzert, bei dem das Orchester jetzt deutlich transparenter aufgefächert erscheint und die Violine ganz besonders seidig wirkt. Beim Mendelssohn-Konzert liegt übrigens die Violinstimme betont (vor dem relativ leise hörbaren Orchester) auf dem mittleren (Center-)Kanal. Hier zeigt sich, wie experimentell und unterschiedlich die Ansätze in der Umsetzung von Stereo-Aufnahmen damals noch waren. Im Gegensatz zur Mercury-Philosophie wurde der Center hier (noch) in erster Linie als Stützmikrofon speziell für den Solisten verwendet. Das Beethoven-Konzert wurde hingegen zuvor „nur“ zweikanalig aufgenommen – entsprechend bleibt bei mehrkanaliger Wiedergabe auch der Center stumm! Nicht allein an dieser Stelle wird es auch spannend: Hat der interessierte Hörer doch dank Technikfortschritt jetzt erstmalig die Möglichkeit, selbst ausgiebig auf Spurensuche zu gehen und beispielsweise den Klangraum durch Abhören einzelner Kanäle eingehender zu untersuchen. Dabei zeigt sich beispielsweise, wie gut bei Mercury Living Presence bereits die Grundbalance des monoralen Centers funktionierte und damit, wie versiert schon in der Frühphase der HiFi-Stereofonie zu Werke gegangen worden ist.

Und gerade die Orgeleinsätze in der Orgelsinfonie von Saint Saëns wirken jetzt sogar noch überzeugender. Im Zusammenwirken mit dem besser aufgefächerten Orchesterklang macht sich gegenüber der älteren Version auch hier ein etwas abgeschwächtes Bassfundament positiv bemerkbar. Dem entsprechend klingt es spürbar natürlicher, was auch für die Balance zwischen Orgel und Orchester gilt. Außer Konkurrenz rangiert die „Pathetique“ von Tschaikowsky unter Pierre Monteux, da dieser Titel jetzt erstmalig auf CD erschienen ist. Auch hier erhält der Kunde ein klanglich erstklassiges Produkt, das diese berühmteste Tschaikowsky-Sinfonie im Breitwandsound präsentiert. Und selbst die „nur“ zweikanaligen Aufnahmen aus der Frühphase von Living Stereo (wie „Daphnis & Chloe“, „Also sprach Zarathustra“ und nicht zu vergessen das „Konzert für Orchester“) wirken jetzt einen entscheidenden Tick klarer, offener, sind besser verräumlicht und damit geradezu verblüffend frisch und natürlich. Das respektable Alter der inzwischen immerhin zwischen 45 und rund 50 Jahre zurückliegenden Aufnahmen macht sich fast nicht mehr bemerkbar.

Bei den Mercury-SACD-Überspielungen gilt das oben Angemerkte in sehr ähnlicher Weise. Auch hier gibt es gegenüber den zweifellos ebenfalls hochkarätigen CD-Abmischungen der 90er beim Klang Zuwächse an Transparenz und mehr Luft um die Instrumente. Die bei verschiedenen Living-Stereo-Aufnahmen merklichen Veränderungen im Bassbereich sind mir hier allerdings nicht aufgefallen. Mögen Interpreten-Namen wie Paul Paray vielleicht nicht ganz den Nimbus mancher seiner Kollegen des Living-Stereo-Kataloges besitzen. Das sollte niemanden verleiten, um die beiden Paray-Alben einen Bogen zu machen. Im Gegenteil: Ich halte diese CDs für deutlich unterbewertete Perlen im Repertoire mitreißend musizierter niveauvoller klassischer Unterhaltung. Und bei Antal Doratis feurigen Einspielungen der Werke Rimsky-Korsakoffs und Strawinskys sowie der angemessen subtilen Interpretation von Respighis antiken (Lauten-)Tänzen gesellt sich ebenfalls zur packenden Interpretation ein superb ausbalanciertes und ebenso dynamisches Klangbild, das dem so mancher späterer Digitalaufnahme mehr als nur Paroli zu bieten vermag.

Die – jetzt erstmalig mögliche dreikanalige Wiedergabe ist reizvoll. Sie stabilisiert gegenüber dem normalen zweikanaligen Stereo deutlich das Klangfeld und macht so die Klangqualität weniger stark von der Positionierung des Hörenden abhängig, sie ist aber kein generelles Muss, vielmehr eine interessante und aufschlussreiche Alternative. (Und entsprechend gilt: Wer vorerst ausschließlich den CD-Teil abspielen kann, sollte sich trotzdem nicht vom Kauf der Mercury Titel abhalten lassen. Auch die Transfers der frühen 90er Jahre klingen prima.)

Allgemein kann noch angemerkt werden, dass der bei den früheren CD-Ausgaben meist dezente Grundrauschpegel bei den neuen SACD-Editionen mitunter noch ein Stück niedriger ausfällt. Alles in allem erhält der Käufer damit unverzichtbare Musik in durchweg sehr guten, oftmals Maßstäbe setzenden Interpretationen und außerdem auch klanglich in Topqualität: sowohl bei Living Stereo als auch bei Mercury Living Presence. Insofern ist die Wiedergeburt dieser vorzüglichen Serien – im wahrsten Wortsinn handelt es sich hierbei um Klassiker – generell sehr zu begrüßen. Wer davon noch gar nichts besitzt, sollte unbedingt testen. Dem bereits mit den jeweiligen CD-Editionen der 90er gut bestückten Klassikfreund soll an dieser Stelle sicher nicht suggeriert werden, dass er jetzt generell ausmustern und aufrüsten muss. Reinschnuppern ist schon angeraten, wenn auch gefährlich, denn es könnte durchaus Lust auf mehr machen.

Weiterführende Links:

Homepage zu LIVING STEREO
Homepage zu MERCURY LIVING PRESENCE
50 Years Living Presence: 1951 – 2001

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2004.

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