Bandolero!

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
27. November 2004
Abgelegt unter:
CD

Score

(5.5/6)

Bandolero!

Hier handelt es sich um einen heutzutage weitgehend vergessenen Western von Andrew V. McLaglen aus dem Jahr 1968, zu dem das Western-Lexikon von Joe Hembus anmerkt: „Letzte Auftritte der müden Helden (James Stewart, Dean Martin und George Kennedy) mit viel Geschwätz und Anleihen beim Italo-Western.“ Nun denn, einigermaßen unterhaltsam ist er immerhin.

Die Musik von Jerry Goldsmith erlebte erst kürzlich ihre definitive Veröffentlichung. Zum Film erschien seinerzeit ein rund 27-minütiger Schnitt in Form einer schlecht gepressten, arg flau klingenden Project-3-LP. Anschließend gab es zwar (mindestens zwei) Wiederveröffentlichungen auf CD, bei denen allerdings die LP und eben nicht (!) die für die Produktion selbiger benutzten Masterbänder als Ausgangsmaterial der Übertragung dienten. Bereits 1993 wollte Intrada dem abhelfen und sogar den kompletten Score in neuer Abmischung veröffentlichen. Leider scheiterte dies damals am Willen des Komponisten. Goldsmith erteilte seine Einwilligung allein zur Neuveröffentlichung der Bänder des alten LP-Schnitts. Immerhin resultierte daraus für den Käufer ein schon beachtlicher Qualitätsgewinn. Neben klanglichen Verlusten, verursacht durch mangelhaften Transfer der für die LP angefertigten Abmischung auf Pressmatrize, entfielen auch die das Endresultat Project-3-LP zusätzlich beeinträchtigenden diversen Knister- und Knackgeräusche.

Im September 2004 erschien jetzt erstmals der komplette rund 44-minütige Score in aus den einzelnen Ton-Elementen vollständig neu stereofon abgemischter Form. Hinzu kommen noch zwei Demo-Tracks in Mono und als eine Art Anhang der komplette alte LP-Schnitt — abgenommen (wie 1993) vom damals angefertigten zweikanaligen Stereo-LP-Mix. Das Resultat der Neuabmischung darf zumindest als sehr beeindruckend, wenn nicht gar als überwältigend bezeichnet werden! Erstmalig werden die Schwächen (auch infolge der damals deutlich eingeschränkteren technischen Möglichkeiten) des alten LP-Mix deutlich — die Probleme, denen sich der damalige Toningenieur Len Engle gegenüber sah, werden allerdings beim Lesen der aufschlussreichen Producer Notes von Douglass Fake verständlich. Im Vergleich erscheint der alte LP-Mix zwar nicht einfach als schlecht, er klingt aber doch deutlich verhangener und auch etwas dumpfer — das Orchester scheint wie hinter dicken Tüchern spielend aufgezeichnet. So manches klangliche Detail der raffinierten Instrumentierung ist dabei entweder allein nur deutlich bedämpft auszumachen oder bleibt sogar komplett auf der Strecke.

Diese eindeutige Verbesserung des Klanges geht allerdings mit einem gegenüber der LP-Abmischung deutlicher wahrnehmbaren Rauschpegel einher. Ein gewisser, letztlich aber nicht wirklich störender Grundrauschpegel ist etwas, das vielen ansonsten tadellosen Analogaufnahmen mehr oder weniger anhaftet — siehe auch „Living Stereo!“. Wer damit nicht leben kann, der engt sich unnötig ein, beraubt sich vieler unwiederbringlicher, hervorragender Einspielungen, die trotz dieses — meist weniger dramatischen als zum Drama hochstilisierten — typischen Phänomens der Analog-Ära so mancher DDD-Aufnahme eindeutig überlegen sind.

Aber es sind hier nicht nur klangliche Vorteile, welche die Neuedition interessant machen, auch die rund 17 Minuten an erstmals veröffentlichter Musik bringen es, stellen durchweg (ohne Einschränkung!) eine Bereicherung dar. Da ist der jetzt erstmalig solo — im Film nur sehr leise wahrnehmbare —, noch vor dem Main Title erklingende erste Track auf der CD: eine aus einem Saloon heraus erklingende originelle Source Music. Ein durch seinen Quickstep-Rhythmus augenzwinkernd zugleich frech und modern wirkende erste Begegnung mit einem der beiden Hauptthemen der Filmmusik. Hier wird es, vom leicht verstimmt anmutenden typischen Saloon-Klavier begleitet, von Banjo und Mundharmonika vorgetragen.

Der sich anschließende Main Title ist deutlich von der Spaghetti-Western-Welle und dem typischen Morricone-Sound jener Zeit inspiriert. Besagter wird jedoch nicht einfach platt kopiert, sondern Stilelemente desselben werden pfiffig mit hauseigenen verschmolzen. Hierfür steht besonders der erste Teil, bei dem das bereits aus der o. g. Saloonmusik bekannte Thema gepfiffen über einer begleitenden Rhythmus-Linie erklingt, die mit Triangel, Kastagnetten, Gitarre und Maultrommel erzeugt wird. Anschließend tritt ein zweiter, ebenfalls sehr einprägsamer melodischer Gedanke hinzu, der zuerst von der Mundharmonika intoniert und anschließend vom Orchester (eindeutig Goldsmith-like) übernommen und weitergeführt wird. Im weiteren Verlauf des Score bildet dieses Themen-Duo ein besonders charakteristisches und prägendes Element. Es tritt dabei aber nicht zwangsläufig immer unmittelbar miteinander verknüpft — wie im Main Title — in Erscheinung.

Dass mit diesen beiden markant melodischen Einfällen der Score dank raffinierter Variationstechnik und ausgefeilter Instrumentierung sehr effektvoll gestaltet wird, ist beim Goldsmith jener Jahre praktisch selbstverständlich. Zusätzliche Farbe und Abwechslung verleihen der Musik mexikanisches Kolorit sowie ein weiterer sehr anmutiger thematischer Gedanke, der einer mexikanischen Schönen, Maria, zugeordnet ist — erstmalig vorgetragen als Duett aus Marimba mit Gitarrenbegleitung. Mit weiteren ebenfalls melodischen Themen, wie dem für den Sheriff und dem zwar deutlich knapper angelegten, aber trotzdem noch melodisch anmutenden Motiv für die Banditen, liegt hier eine, von der Menge einzelner Themen betrachtet, fast schon verschwenderisch üppig ausgestattete Goldsmith-Filmmusik vor.

Und zusätzliche Reize verleiht das überaus geschickt gehandhabte, für raffinierte Effekte verantwortliche Schlagwerk: bestehend aus Militär-Trommeln (Snare Drums), Holzblock, Triangel und Kastagnetten. Faszinierend ist dabei allerdings gleichzeitig die klangliche Ökonomie der über weite Strecken sehr transparenten, geradezu kammermusikalisch aufgelichteten Instrumentierung. Es ist einmal mehr erstaunlich, was der Komponist alles an Wirkung aus dem Spiel nur weniger Musiker herauszuholen vermag. Dank Raffinesse in der Ausführung mangelt es dem musikalischen Geschehen nie an Farbe und damit Abwechslung. Und der Wechsel mit den Tutti-Passagen wirkt dadurch zugleich nochmals besonders effektvoll kontrastierend hervorgehoben — beispielsweise in „A Bad Day for Hanging“.

Unterm Strich bleibt schlichtweg unverständlich, was Goldsmith 1993 bewogen haben mag, der vollständigen Musikveröffentlichung seine Zustimmung zu verweigern. Bandolero! zeigt im Gegensatz zur doch merklich blasser geratenen Vertonung des Remakes des 1939er John-Ford-Klassikers Stagecoach • San Fernando (1967) alle Merkmale einer mindestens sehr guten Goldsmith-Komposition. Dafür war die erstgenannte Musik bereits im Jahre der Uraufführung des (ebenfalls blassen) Films in einer praktisch vollständigen (!) Version auf LP erhältlich.

Der glückliche Besitzer des neuen CD-Albums zu Bandolero! erhält darüber hinaus noch zwei Demo-Cues als Anhängsel. Davon gerät besonders die arg kommerzielle Version des Main Titles mit ihrem zeitgemäß poppigen Beat zum geradezu ulkigen, schmunzelnd goutierbaren Kuriosum. Wertungsmäßig sind für die Musik fünf Sterne das Minimum und auch noch ein halber Stern darüber hinaus scheint mir für diese erstklassig ausgeführte Westernmusik nicht überzogen. Alles in allem ist diese Intrada-Edition aber auch durch die ausführlichen Texte im Begleitheft ein hervorragend gefertigtes und damit geradezu unverzichtbares Schmuckstück jeder Jerry-Goldsmith-Kollektion. Da kann man also — soweit vorhanden — die 1993er Intrada-Ausgabe getrost in den Ruhestand schicken.

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2004.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Erschienen:
2004
Gesamtspielzeit:
75:48 Minuten
Sampler:
Intrada
Kennung:
Special Collection Vol. 16

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