Sky Captain and the World of Tomorrow

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
26. November 2004
Abgelegt unter:
CD

Score

(4.5/6)

Die Macher von Sky Captain and the World of Tomorrow gingen noch einen konsequenten Schritt weiter als die Produzenten der durch ihre digitalen Tricks (zumindest in Teilen) besonders faszinierenden (drei) Matrix-Revolutionen: Erstmalig agierten die Schauspieler ausschließlich vor der Blue Screen! Sämtliche Sets wurden erst anschließend, also im Zuge der Postproduktion per Computer eingefügt.

Die fantastische, rasante Abenteuer-Story ist eine Hommage an die Serials der 1930er und 1940er Jahre. Nach herrlich altmodischer — anscheinend aber eben doch niemals wirklich überholter — Altväter Sitte tritt Fliegerass Sky Captain Joe Sullivan (Jude Law) furchtlos gegen das leibhaftig Böse an. Selbiges tritt entsprechend der ausgehenden 1930er (nazihaft) als — die freiheitlich gesinnten USA bedrohender — Dr. Totenkopf auf den Plan. Natürlich darf im Spektakel eine schöne Heroine nicht fehlen. Hier verkörpert Superblondine Gwyneth Paltrow die Skandaljournalistin Polly Perkins, die im Fall des Dr. Totenkopf über wichtige Informationen verfügt. Eine zumindest in Teilen bildgewaltige Utopie von vorgestern zieht dabei augenzwinkernd im Noir-Stil am Zuschauer vorüber. Dabei fehlt auch ein Zeppelin, die Hindenburg III, nicht, die eindrucksvoll über Manhattan schwebt und am Empire State Building andockt …

Der versierte Kinogänger unter den Lesern hört hier wahrscheinlich schon die Nachtigall überdeutlich trapsen und erkennt die Parallelen zu The Rocketeer (1991). Und fast genau da knüpfte auch der Komponist Edward Shearmur musikalisch an. Sein rasanter, breitorchestraler Score arbeitet geschickt mit denselben Ingredienzien wie James Horner beim o. g. Film und ganz besonders wie der Stilbegründer John Williams bei Superman (1978) und Jäger des verlorenen Schatzes (1981). Ausgangspunkt von Shearmurs Komposition ist damit dasselbe, was den üppig-machtvollen Sound der Abenteuer-Scores von John Williams prägt: auch seine Musik ist in der Gestaltung der Themen und ihrer Verarbeitung dem „Golden Age“ und damit Komponisten wie E. W. Korngold und Max Steiner verpflichtet. Wobei das überbordend Romantische geschickt in einen harmonisch und rhythmisch gemäßigt modernen Kompositionsstil eingebettet ist, der (analog John Williams) sein Vorbild bei Sergej Prokofjew findet. Und dabei erweist die Musik den genannten filmischen Vorbildern natürlich ausgiebig Reverenz. Das für den titelgebenden Helden stehende fanfarenartige Heroenthema atmet den Geist von Superman — und verweist zugleich auf den Williams’schen Imperiums-Marsch. Das breite lyrische Love-Theme ist entsprechend angelegt, also wie in den bereits genannten filmmusikalischen Vorbildern. Neben einem besonders prägnanten, ebenfalls marschartigen Motiv für Dr. Totenkopf steht sogar noch ein weiterer Marsch auf dem Programm, der für die Flotte der fliegenden Festungen des Sky Captains steht. Nach Aussage des Komponisten ist dies eine Reminiszenz an eine Kindheitserinnerung, die Musik der TV-Serie Thunderbirds.

Natürlich darf man das Resultat als eine geschickt und versiert gefertigte Williams-Hommage bezeichnen — Williams ist ja auch für Horner das Vorbild in Rocketeer. Vergleichbar sorgfältig, ja liebevoll, ist hier der Umgang mit dem thematischen Material gelungen. Shearmur hat die oben beschriebenen Bezüge übrigens in einem Interview mit Jeff Bond im neuen FSM-Magazin (Volume 9, Number 8) selbst eindeutig markiert. Zudem ist es einfach nahe liegend, bei einem derartigen Film im nostalgischen Sinne vorzugehen, also mit demselben Vertonungskonzept zu arbeiten, das auch den o. g. mittlerweile als Klassikern geltenden Vorläufern zugrunde liegt. Die Nähe zu den erwähnten Klangvorbildern ist dabei natürlich im Sinne einer den Nostalgieeffekt wiederum erhöhenden Hommage ebenso gewollt. Wobei klangliche Parallelen auch unabdingbar sind, wenn zwei Komponisten mit vergleichbarem Background mit entsprechenden kompositorischen Mitteln zu Werke gehen: Man denke hier an die Analogien zwischen Korngolds Adventures of Robin Hood (1938) und Waxmans Prince Valiant (1954). Zum schnell etwas abwertend interpretierbaren Begriff „Williams-Plagiat“ sollte man deshalb an dieser Stelle nicht leichtfertig greifen.

Den zweifelsfrei beabsichtigten Nostalgieeffekt beinhaltet übrigens auch der zum Abschluss erklingende aus The Wizard of Oz (1939) stammende Judy-Garland-Klassiker „Over the Rainbow“. Jane Monheits ein wenig an Songs von Barbra Streisand erinnernde Version wirkt etwas moderner und zeitgemäßer. Erfreulicherweise bewahrt diese Interpretation dabei aber zugleich den Charme des liedhaften Originals. Und wer beim schwelgerischen Love-Theme genau hinhört, der wird wahrscheinlich ebenso die Verwandtschaft einer Passage mit dem warmherzigen Song „When You Wish upon a Star” aus Walt Disneys Pinocchio aus dem Jahr 1940 feststelle …

Edward Shearmur zeigt sich hier nach The Count of Monte Cristo (2002) in jedem Fall als besonders virtuoser und talentierter Orchesterhandwerker. Einer, der mir deutlich viel versprechender erscheint als der trotz seiner mittlerweile in Serie produzierten blass routinierten Filmvertonungen unablässig hoch gelobte Brian Tyler.

Das London Metropolitan Orchestra bewältigt unter der Leitung des Komponisten nicht ausschließlich die schwierigen Bläserparts bravourös, und auch der recht volle, satte Klang gibt kaum Anlass zu Kritik. Der rund einstündige Albumschnitt ist vergleichbar dem zu Van Helsing sehr stark auf Tempo und Action konzipiert, bietet dementsprechend etwas wenig lyrische Ruhepunkte. Egal! Unterm Strich resultiert bei Sky Captain and the World of Tomorrow eine CD, die beträchtlichen Hörspaß bereitet. Damit erhält die (allein) bezüglich Neuerscheinungen bislang insgesamt doch etwas magere Bilanz des filmmusikalischen Jahres 2004 einen wichtigen, vielleicht gar „den“ entscheidenden Kick.

Komponist:
Shearmur, Edward

Erschienen:
2004
Gesamtspielzeit:
57:50 Minuten
Sampler:
Sony Classical
Kennung:
SK 92932

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