21 Grams

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
9. Mai 2004
Abgelegt unter:
CD

Verliert ein menschlicher Körper im Augenblick des Todes wirklich an Gewicht? Wiegt die „Seele“ etwa besagte 21 Gramm? Ob der gleichnamige Film des argentinischen Regisseurs Alejandro González Iňárritu zu dieser vor über 100 Jahren von einem US-Arzt aufgeworfenen Behauptung eindeutig Stellung bezieht, darf wohl bezweifelt werden. Der hierzulande daran Interessierte hat jedenfalls seit dem deutschen Kinostart, am 5. Februar 2003, Gelegenheit, dieser Fragestellung nachzugehen. Das CD-Album ist allerdings erst wesentlich später, zum US-Kinostart des Films, im November 2003 erschienen.

Die Filmmusik stammt vom Komponisten und Arrangeur Gustavo Santaolalla, der damit bereits zum dritten Mal mit dem Regisseur zusammenarbeitete. Bei der Vertonung durch den Gründer der argentinischen Rockband „Arco Iris“ handelt es sich um eine eigenwillige Mixtur aus akustischen und elektrischen Gitarrensounds, Akkordeon, Harmonium und einigen Streichinstrumenten. Ebenso sind ein Synthesizer und eventuell einige Holzblasinstrumente vertreten. Hinzu treten Perkussionseffekte, die zum Teil offenbar mit irgendwelchen metallischen Gegenständen erzeugt worden sind. Das sparsame Booklet ist bei der Detailaufklärung wenig hilfreich, es vermerkt allein, dass der Komponist zugleich Interpret (fast) sämtlicher „Instrumente“ ist. Dazu kommt ein allerdings unspektakulärer Auftritt des bekannten Kronos (Streich-)Quartets im letzten Albumtrack.

Das Gebotene ist nicht sinfonisch, es wirkt experimentell und improvisiert. Santaolalla kombiniert Einflüsse argentinischer Folklore, einen Hauch von Tango inklusive, mit Stilelementen des Blues. Die Konzeption ist kaum thematisch, wirkt fast ausschließlich atmosphärisch und meditativ, wobei auch eine minimalistische Tendenz spürbar ist. Ein wenig erinnern die hier anzutreffenden, eher dezenten Klangräume und -collagen an die Sounddesigns eines Thomas Newman, in der Machart sind sie allerdings merklich schlichter.

Von den rund 38 Albumminuten entfallen nur etwa 22 auf die eher unscheinbare Filmmusik. Der Rest besteht aus einigen Song-Tracks, von denen die (gelinde gesagt) eigenwillige, fast nur geräuschhaft-monotone Interpretation des Elvis-Presly-Songs „Shake, Rattle and Roll“ offenbar im Film nicht vertreten, ein Bonus für das CD-Album ist. Dagegen setzt Ozumatlis lautstarke rappige „Cut Chemist Suite“ einen fast schon ohrenbetäubenden Kontrast. Dazu sind vereinzelt auch Geräusche der Filmtonspur, Dialogschnipsel und im o. g. Elvis-Song-Remake gesprochene Filmzitate anzutreffen.

Inwieweit das hier Vertretene mit dem Film harmoniert, vermag ich nicht abzuschätzen, klar ist hingegen, dass sich ein derartiges weitab vom Sinfonischen angelegtes Klangdesign — von Musik kann man hierbei nur bedingt sprechen — den Cinemusic.de-Maßstäben entzieht.

Der Regisseur meinte, die Musik sei die Seele, die Essenz des Films. Ich denke, das Album dürfte seine Liebhaber fast ausschließlich unter den Anhängern des Films und denen finden, die Santaolallas „Rock-en-espanol“ etwas abgewinnen können. Wer eher sinfonisch orientiert ist, dem sei statt Blindkauf in jedem Fall ein Probehören angeraten.


Mehrteilige Rezension:

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Erschienen:
2003
Gesamtspielzeit:
38:21 Minuten
Sampler:
Varèse
Kennung:
VSD-6527

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