Das kalte Herz

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
30. April 2003
Abgelegt unter:
DVD

Film

(4.5/6)

Bild

(2/6)

Ton

(3/6)

Extras

(3/6)

DEFA-Märchen auf DVD

Im Jahre 1998 wurde – analog der nach 1945 zur Verwaltung des Filmbestandes des Deutschen Reiches gegründeten Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung – die DEFA-Stiftung ins Leben gerufen, um das Filmerbe der DDR zu verwalten. Interessanterweise gab es in der DDR eine Archivierungspflicht für sämtliche produzierten Filme, was auch für die dem Publikum vorenthaltenen „Verbotenen Filme“ galt. Aus diesem Grund ist die Filmproduktion der DDR nahezu vollständig erhalten.

Bis 1989 war der Progress-Verleih in Ost-Berlin die DEFA-Adresse schlechthin. Nach der Wende wurde der Verleih zwar von der Treuhandanstalt übernommen, durfte seinen traditionsreichen Namen allerdings behalten. Die 1997 gegründete Icestorm Entertainment beschäftigt sich in enger Zusammenarbeit mit Progress mit der videotechnischen Auswertung der DEFA-Hinterlassenschaft. Neben der etwas ironischen Devise vom „Aufbau West“ lockt auch der amerikanische Markt: Mit den drei Produktionen Die Geschichte vom kleinen Muck, Die goldene Gans und Wer reißt denn gleich vor’m Teufel aus hat man den ersten Versuch gestartet, auch die Amerikaner nachhaltig für die Märchenproduktionen des so genannten „Hollywood over the wall“ zu begeistern.

Insbesondere bei den Kinder- und Märchenfilmen genossen die Regisseure ein ungewöhnlich großes Maß an künstlerischer Freiheit. Bei der überwiegenden Zahl der DEFA-Märchenfilme handelt es sich daher um weitgehend ideologiefreie, meist mit viel Fantasie umgesetzte und oftmals liebevoll inszenierte Verfilmungen. Das kalte Herz (1950) war (nach den anfänglichen Puppenfilmen) der erste mit Schauspielern produzierte Märchenstoff und zugleich der erste DEFA-Farbfilm in Agfacolor. In der Bundesrepublik war ebenfalls der erste in diesem Verfahren gedrehte Nachkriegs-Farbfilm, Schwarzwaldmädel (1950), mit großem Erfolg in die Kinos gebracht worden.

Die Geschichte vom kleinen Muck (1953) geht wie auch Das kalte Herz auf edle Kunstmärchen von Wilhelm Hauff zurück. Im Schwarzwaldmärchen „Das kalte Herz“ geht es um die Erkenntnis, dass ein Herz zu besitzen, das zu Gefühlen fähig ist, mehr wert ist als materieller Besitz. Und in einer orientalischen Stadt gelingt es dem buckligen, von den Kindern gehänselten alten Muck durch die Erzählung seines abenteuerlichen Lebens die Zuhörer davon zu überzeugen, dass auch die eher unscheinbaren Menschen etwas zu bieten haben. Hauffs weniger kindertümelnd naiv, denn stärker humanistisch gefärbte Kunstmärchen haben bis heute nichts von ihrer Kraft, Farbigkeit, tiefen menschlichen Weisheit und von ihrer Wirkung verloren. Beide Verfilmungen zählen wohl auch zum Besten, was der DEFA-Märchenfilmstock zu bieten hat: Darüber hinaus sind sie – durch gute schauspielerische Leistungen, eine (für die Zeit) starke Tricktechnik und äußerst sorgfältige Farbfotografie – Klassiker des Genres. Wobei manche Einstellung in Die Geschichte vom kleinen Muck (Regie: Wolfgang Staudte) an Der Dieb von Baghdad (1940) erinnert. Staudtes Film ist eine reizvolle orientalische Märchenfantasie, realisiert im märkischen Sand, wobei die auf exotisch geschminkten Gesichter dem Ganzen zusätzlichen Charme verleihen. Das kalte Herz zeichnet sich durch seine geradezu fantastisch-unheimliche Atmosphäre und durch schöne Naturaufnahmen aus – sein Regisseur Paul Verhoeven hat allerdings mit dem Robocop-Verhoeven nichts gemein. Beide Filme unterlegen ihre atmosphärisch dichten Bilder mit schöner sinfonischer Filmmusik: Die Geschichte vom kleinen Muck mit der von Ernst Roters und Das kalte Herz mit der von Herbert Trantow.

Zwei Filme nach Märchen der Gebrüder Grimm sind Die goldene Gans (1964) und Wer reißt denn gleich vor’m Teufel aus (1977) – letzterer nach „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“. In beiden Fällen handelt es sich um volkstümlich heitere Varianten der Grimmschen Stoffe. Die hübsch bunte, jedoch ein wenig simple Geschichte um besagtes Federvieh hat sogar etwas Musical-Anstrich erhalten, die „teuflische“ Story hingegen ist zwar ebenfalls witzig angelegt, zeichnet sich jedoch durch größere Vielseitigkeit und einen Schuss mehr an Tiefe aus.

Die Filme auf DVD

Sämtliche DVD-Titel der Reihe „Die Welt der Märchen“ präsentieren im Zusatzmaterial den so genannten US-amerikanischen Kino-Trailer „Märchen“, der für das schon o. g. Film-Tripel (Die Geschichte vom kleinen Muck, Die goldene Gans und Wer reißt denn gleich vor’m Teufel aus) das amerikanische Publikum begeistern soll. Überhaupt sind diese Editionen international angelegt. Neben der obligatorischen deutschen Sprachfassung gibt es auch eine englische Synchronfassung (beide in sauberem Mono) und außerdem in Französisch und Spanisch jeweils eine Erzählfassung. Das Film-Tripel zeichnet sich auch durch insgesamt sehr gute Bildqualität aus. Farbe, Kontrast, Schärfe und Detailliertheit dürften hier nahe beim Optimum liegen, was die Vorlagen herzugeben in der Lage sind.

Die mangelhafte Lagerstabilität von Farbfilmen ist relativ geläufig. Insbesondere die als Mehrschichtfarbfilme nach dem zweiten Weltkrieg entwickelten – auf dem deutschen Agfacolor beruhenden – Systeme zeigten bis in die 80er Jahre hinein die typischen Alterungsprobleme, die den meisten Zuschauern (nicht nur) als Rotstich bekannt sind. Hierfür steht die leider nur mangelhafte Präsentation von Das kalte Herz, das in (von Rolle zu Rolle) schwankender Qualität daherkommt. Wobei hier neben stark verblassten Farben in erster Linie ein deutlicher Braunstich die Wirkung kräftig beeinträchtigt. Selbst die Farben der besseren Teile können nur als stumpf bezeichnet werden. Hier diente wohl nur die aus dem Fernsehen geläufige Videokopie als Vorlage, die entsprechende Mängel aufweist (hierzu siehe auch Sissi-Filmtrilogie und Karl-May-Filme).

Auch Die Geschichte vom kleinen Muck und Die goldene Gans sind mir vom TV in farbtechnisch sehr bescheidener Präsentation geläufig. Hiervon stechen die vorliegenden DVDs besonders positiv ab. Es bleibt zu hoffen, dass sich zumindest mittelfristig ein Warmherziger nochmals des Kalten Herzens erbarmen und den Film restaurieren möge.

Im Zusatzmaterial gibt es zwar keine Infos zum jeweiligen Film, aber dafür immerhin jeweils einen netten Kurzfilm, der sich als ansprechendes Vorprogramm eignet.

Regisseur:
Verhoeven, Paul

Erschienen:
2000
Vertrieb:
ICESTORM
Kennung:
19019
Zusatzinformationen:
DDR 1950

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