Die Nibelungen

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
25. Januar 2003
Abgelegt unter:
DVD

Film

(4/6)

Bild

(4.5/6)

Ton

(3.5/6)

Extras

(3.5/6)

Derart stimmungsvoll – mit einem an das Nibelungen-Lied angelehnten Prolog – beginnt der erste Teil der Zweitverfilmung der berühmten Saga aus dem Jahr 1966. Und entsprechend schön gereimte Verse, intoniert vom Chronisten der Geschehnisse, begleiten und führen den Zuschauer durch die gesamte Film-Handlung. Schon dies ist ein Indiz dafür, dass es sich bei dieser – für deutsche Verhältnisse sehr aufwändigen – Film-Produktion keineswegs einfach nur um einen lieblos runtergekurbelten Schinken handelt. Zu den kinematografischen Sternstunden der Filmgeschichte dürfte das bilderbuchartige, häufig farbenfrohe und in CinemaScope gedrehte Spektakel wohl kaum gehören; die in zeitgenössischen Kritiken oftmals spürbare spöttische Geringschätzung, halte ich aber doch für arg überzogen.

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Im Vergleich mit den ebenfalls von Regisseur Harald Reinl gedrehten, durchaus netten und unterhaltsamen Karl-May-Verfilmungen schneiden Die Nibelungen m. E. klar um eine Klasse besser ab. Das höhere Niveau zeigt sich nicht allein in den o. g. Versen des Chronisten, auch die eher knappen, emotionsarmen und kargen Dialoge sind oftmals pfiffig und dazu glaubwürdig einem der Zeit der Filmhandlung adäquaten „altertümlichen“ deutschen Sprachstil angenähert. Und auch die Einfalt und Naivität, die dem Film und insbesondere dem Ex-Hammerwerfer Uwe Beyer, der den Siegfried verkörpert, vorgeworfen wurden, entsprechen dem Geist des Vers-Epos besser, als die übliche Stilisierung der Figur zum intelligenten, strahlenden Superhelden – die in erster Linie Fritz Langs Stummfilmklassiker aus den 20er Jahren entstammt.

1001Die Neuverfilmung der 60er Jahre sollte primär eine Jugend- und Familienunterhaltung sein. In diesem Rahmen ist sie auch heute noch sehr gut ansehbar, vermag mit den gehobenen B-Produktionen aus Hollywood locker mitzuhalten. Mancherlei visuelle Höhepunkte bietet die geschickte Kameraarbeit, insbesondere die oftmals besonders schön eingefangenen Naturstimmungen, so die auf der Donau in Jugoslawien gedrehten „Rheinfahrten“ und insbesondere die überaus stimmungsvoll eingefangenen Island-Szenen. Manche der in Spanien und Jugoslawien lokalisierten Schauplätze wirken zwar nicht immer überzeugend germanisch, sind aber recht vielseitig und abwechslungsreich. Im besonders düsteren zweiten Film-Teil trägt nicht allein die Reise zum Hofe des Hunnen-Königs Etzel eindeutig morbide Züge; die gegenüber den zivilisiert erscheinenden germanischen Rittern archaisch-wild und dazu asiatisch-fremd wirkenden Hunnen schaffen einen zusätzlichen scharfen und eindrucksvollen Kontrast.

Wenn die Ritter auf dem Wege ins Hunnenland – das breite Scope-Bild füllend – vor blutig-rot untergehender Sonne reiten, kann man (nicht erst und nur an dieser Stelle) auch von epischem Atem sprechen. Ebenfalls nicht ohne ist die Farbdramaturgie: Der erste Teil kommt in besonders leuchtenden prächtigen Farben daher, der zweite hingegen zeigt sich deutlich weniger farbenfroh, ist größtenteils deutlich kühler, aber vor allem im letzten Filmdrittel symbolträchtig in dominierenden Rot-Tönen gehalten. Ähnliches gilt für die überaus professionell ausgeführten, sehr ansehnlich geratenen Studio-Aufnahmen. So wirken die Gemächer und vor allem der Rittersaal der Wormser Burg großzügig und gut ausgestattet, und auch der Blick durch die Fenster auf die (gemalten) Rheinlandschaften ist sehr gut gestaltet. Was hier geboten wird, kann sich mit vielen A-Produktionen Hollywoods messen, ja, ist manchen sogar klar überlegen: Man denke hier (nicht) nur an die nächtliche Teich-Sequenz in Stanley Kubricks Spartacus mit ihrem zweifelhaften 60er-Jahre-TV-Charme…

Und wenn beim großen Festmahl Etzel seinen und Kriemhilds kleinen Sohn auf dem Tisch zwischen den burgundischen Rittern Revue passieren lässt und sagt: „ … und es ist mein Wunsch, dass er, wenn die Zeit gekommen ist, in Worms erzogen werde, in ritterlichen Tugenden, um einmal Mittler zu sein, zwischen den Welten in Ost und West.“, dann ist dies eine (nicht nur) für ihre Zeit beachtliche Geste der Völkerverständigung. Und auch die Figur des Hagen ist beim näheren Hinsehen (und Hinhören) keineswegs nur blass und völlig stereotyp, sondern hat durchaus einiges Profil: Hagen ist zwar hart und rücksichtslos, handelt dabei jedoch uneigennützig im Interesse des Staates; zeigt sich dabei merklich intelligenter und staatsmännischer als sein oftmals eher schwacher und zaudernder König, Gunther. Hagen ist also nicht einfach nur der klassisch-simple schwarz gekleidete Schurke, sondern (mit etwas Rückenwind) sogar vielmehr eine Art eiserner Kanzler.

Und überhaupt, die Dialoge sind gar nicht so übel, ja in vielem gehaltvoller als in manch plattem Blockbuster unserer Tage. Wobei der altertümlich angehauchte Vers- und Dialogstil ein wichtiges Element der überzeugenden Atmosphäre für diesen Stoff ist. Hier reden und agieren die Figuren (zumindest annähernd) entsprechend ihrer (lange vergangenen) Epoche und nicht, wie heutzutage oftmals üblich, einfach nur wie Menschen von heute. (Derartige Verfälschungen nehmen viele Produzenten bewusst in Kauf, sie meinen offenbar, es dadurch für ein betont junges Publikum leichter konsumierbar und damit „besser“ zu machen.)

Die Szenen vom Untergang der Nibelungen am Hof von König Etzel haben der actionversierte Harald Reinl und Kameramann E. W. Kalinke ebenfalls geschickt umgesetzt: In den wuchtig inszenierten Kampfszenen schwelgt die Kamera nicht übertrieben im Gemetzel, sondern schwenkt auf die blutbespritzten Wandfresken der großen Halle und überlässt damit mehr der Fantasie des Zuschauers. Und auch die Überblendung des in der Nacht lichterloh brennenden Daches der großen Halle mit den rauchenden Trümmern im Morgenrot ist dramaturgisch gekonnt und eindrucksvoll. Überhaupt vermeidet der Film im blutigen Inferno des Finales unnötiges Pathos und ebenso einen rasch peinlich wirkenden ideologischen Hauch von deutschem Heldentum inklusive Nibelungentreue – so sind die Umstände um die Erstürmung des Alamo, im gleichnamigen John-Wayne-Film von 1960, und der vergleichbare Kampf „bis zum letzten Mann“ deutlich penetranter, im geradezu völkisch-nationalen Sinne inszeniert. In Die Nibelungen hingegen wirkt das alles einfach nur desaströs, die menschlichen Konsequenzen sind für alle Beteiligten eindeutig vernichtend. Ehrenkodex, Bündnistreue und Rachebegriff der Nibelungen bleiben im Film zwar etwas nebulös, aber die daraus resultierenden und in die Katastrophe führenden Handlungen sind konsequent und nachvollziehbar, aber damit keinesfalls einfach positiv. Der starre Ehrenkodex und ebenso Kriemhilds fatale, maßlose Vergeltungssucht führen in Folge unausweichlich – einem Automatismus gleich – in die finale Katastrophe. Dies wird (wenn auch vereinfacht) in mehreren Szenen gut verdeutlicht.

(Auch Fritz Langs Filmversion zeigt Kriemhilds Rachefeldzug vergleichbar negativ. Deshalb ließ Propagandaminister Goebbels 1933 allein den ersten Teil – in entstellter, gekürzter Fassung – als Tonfilm erneut in die Kinos bringen.)

Und schließlich agiert eine solide Garde deutscher und internationaler Schauspieler, wie Rolf Henniger, Karin Dor, Hans von Borsody, Dieter Eppler, Siegfried Wischnewski, Benno Hoffmann und Herbert Lom. Und auch der junge später in Italien unter dem Namen Terence Hill Karriere machende Mario Girotti fehlt nicht.

Außerdem ist Rolf Wilhelms in vielem prachtvolle Film-Musik (siehe auch CD-Besprechung) nicht allein erwähnens-, sondern auch unabhängig vom Film sehr hör- und erlebenswert. Diese unterstützt das Konzept der eher unsentimentalen Dialoge und oftmals zurückhaltenden visuellen Darstellung, indem sie nicht allein illustrierend wirkt – z.B. das goldene Glitzern des Nibelungenhorts Klang werden lässt. Ebenso wird das oftmals eher Angedeutete und Ungesagte dem Zuschauer in Form einer überwiegend düsteren, kraftvollen, leitmotivisch aufgebauten und breit angelegten sinfonischen Tonsprache kommentierend vermittelt.

Die Nibelungen, Teil 1, Siegfried von Xanten und Teil 2, Kriemhilds Rache wurden am 13.12.1966 bzw. 16.2.1967 im Mathäser-Theater in München uraufgeführt. Im Jahr 1976 kam der Film nochmals, als gekürzte einteilige Fassung von 110 Minuten Länge, Die Nibelungen, in die Kinos. Im Zuge des Erfolges von Muskelmann Arnold Schwarzenegger in Conan der Barbar erfolgte 1982 eine letztmalige Wiederaufführung der 110-Minuten-Version unter dem neuen Titel Das Schwert der Nibelungen.

Harald Reinls Die Nibelungen auf DVD

Der Münchner Anbieter Polyband hat dem deutschen Filmepos eine liebevoll gemachte Doppel-DVD-Edition gewidmet. Diese kommt im geschmackvoll und recht aufwändig gestalteten Digipak daher. Beide Filmteile sind jeweils auf einer DVD untergebracht.

Bislang waren Die Nibelungen auf Video und im Fernsehen fast ausnahmslos nur in technisch bescheidenen, oftmals mangelhaften Fassungen zu sehen – mit schlechten Farben und/oder das Bild seitlich deutlich beschnitten. Erfreulicherweise liegt der DVD-Edition die vom ZDF in 2002 erstausgestrahlte, sorgfältig restaurierte und im originalen Scope-Format (1: 2,35) transferierte Fassung zugrunde. Die Bildqualität kann sich mehr als sehen lassen. Abgesehen von vereinzelt sichtbaren kleineren Fehlern ist das detailfreudige, rauscharme Bild von guter Qualität, zeigt sehr ruhige satt erstrahlende Farbflächen, und ebenso solide sind Schärfe und Kontrast. Der ebenfalls restaurierte Ton ist sowohl in (fast) durchweg sauberem Original-Mono als auch in einer mit einzelnen dezenten Raumeffekten – z. B. in den Island-Sequenzen mit ihren machtvollen Vulkanbildern – sehr behutsam aufgepeppten Dolby-Digital-Version wählbar.

1002Der Titelvorspann des ersten Filmteils ist der 1976er Wiederaufführungsfassung entlehnt – erkennbar am etwas dilettantisch eingefügten Namen von Herbert Lom, dem Darsteller des erst im zweiten Filmteil agierenden Hunnenkönigs Etzel. Die beiden Filmteile hatten ursprünglich folgende Lauflängen: 1. Teil 91 Minuten und 2. Teil 90 Minuten. Teil 2 ist bereits im Mai 1967 auf 88 Minuten gekürzt worden. Die Videolaufzeit des zweiten Filmteils (auf der zweiten DVD) korreliert mit der der leicht beschnittenen Version. Falls die Laufzeitangabe zum ersten Filmteil nicht von vornherein fehlerhaft ist, scheint dieser ebenfalls geringfügig, um rund 3 Minuten, gekürzt worden zu sein. Wie auch immer, die vermutlich aufgrund von FSK-Freigaben gemachten Schnitte fallen nicht auf und das fehlende Material existiert wahrscheinlich überhaupt nicht mehr.

Im ordentlichen Zusatzmaterial ist das rund 8-minütige Interview mit Dieter Eppler, dem Darsteller des Rüdiger, sehr amüsant und aufschlussreich. Hier wäre noch ein Interview mit dem Komponisten Rolf Wilhelm eine willkommene Ergänzung gewesen. Außerdem gibt es drei Kinotrailer: Die zur Erstaufführung des ersten und zweiten Filmteils sowie den zur 1976er Wiederaufführung. Die Trailer zeigen neben Gebrauchsspuren eindeutig die Wirkungen des Zahns der Zeit. Insbesondere die aus den 60er Jahren stammenden Erstaufführungstrailer der beiden Filmteile sind technisch in nur noch bescheidenem Zustand und vor allem farblich stark in Mitleidenschaft gezogen. An dieser Stelle sind qualitative Einschränkungen verzeihlich. Derartige Trailer haben in erster Linie, ob ihrer übertrieben vollmundigen und geballten Werbesprüche, einen ausgeprägt nostalgischen Schmunzel-Wert. Ein Segment mit einer recht umfangreichen Bildergalerie (Kinoplakate und Schaukasten-Motive) rundet den ansprechenden Eindruck ab.

Fazit: Harald Reinls epische Abenteuer-Verfilmung des Nibelungenstoffs der 60er liegt jetzt erstmals in einer überzeugenden restaurierten Fassung auf DVD vor, die qualitativ mit den Winnetou-Filmen auf DVD von Kinowelt annähernd vergleichbar ist. Eine der guten Abenteuer-Verfilmungen ihrer Zeit und auch heutzutage – abseits von rein nostalgischer Betrachtung – noch eine spannende, gar nicht so platte Unterhaltung. Eine Verfilmung mit einigen Schwachpunkten, die aber doch insgesamt mit glücklicher Hand umgesetzt worden ist. Ein bereits früher gewonnener Eindruck, den die Beschäftigung mit der sehr zu empfehlenden DVD-Edition bestätigt hat.

Ein wichtiger Nachtrag zur DVD-Besprechung!

Zur Nibelungen-DVD-Edition sind verschiedentlich negative Kommentare abgegeben worden, die primär auf den zweiten Filmteil fokussieren und in erster Linie Bildverluste bemängeln. Insbesondere das Schreiben eines Cinemusic-Lesers hat mich veranlasst, dem nachzugehen.

Eingehendere Vergleiche mit einem Mitschnitt der TV-Ausstrahlung ergaben Folgendes: Beim ersten Teil sind bis auf einzelne Kompressionsartefakte (insbesondere im Prolog) keine stärkeren Mängel zu beobachten. Hier stimmt auch der Bildausschnitt mit dem der ZDF-Version überein. An zwei Stellen habe ich auch parallel die (wohl) identischen kleinen Bildfehler ausmachen können. Hier handelt es sich also mit größter Wahrscheinlichkeit um die im Fernsehen ausgestrahlte Version. Bis auf einen (wohl elektronisch) generell angehobenen Kontrast kann man hier das Bild als identisch bezeichnen.

Düsterer sieht es mit dem zweiten Filmteil, Krimhilds Rache, aus. Wohl alles, was nach dem (korrekt anmutenden) CCC-Logo auf dem Bildschirm erscheint, ist sowohl in der Höhe als auch an beiden Seiten ein Stück beschnitten. Auffällig dabei ist, dass gegen Ende des Titelvorspannes bei der DVD-Version einige Bildschäden sichtbar werden, die in der ZDF-Fassung nicht (!) zu sehen sind. Es handelt sich also mit ziemlicher Sicherheit nicht um die im Fernsehen ausgestrahlte Fassung. Farblich ist der zweite Teil aber nicht wirklich schlecht, die Farbgebung ist (wie beschrieben) dramaturgisch insgesamt eh kühler, aber z. B. das Rot der Gewänder leuchtet schon recht satt – sogar stärker als in der ZDF-Fassung. Allerdings ist das Bild von DVD zumindest teilweise deutlich dunkler als in der seinerzeit im ZDF zu sehenden Version und mitunter auch etwas weniger scharf geraten. Die hier ebenfalls bemängelten Kompressionsartefakte treten teilweise auch in der Fernsehfassung auf, sind in beiden Fassungen allerdings nur kurz sichtbar: In der Naturstimmung des Prologs (Wolken) und wenn die Nibelungenkrieger zum Etzelhof aufbrechen.

Was die Beurteilung der Edition angeht, besteht also klar Korrekturbedarf. Das in meinem Artikel Geschriebene kann nur zum ersten Filmteil (DVD-1) voll bestehen bleiben, die zweite DVD ist jedoch mit deutlichen Abstrichen einzuordnen: hier halte ich 3 Sterne beim Bild für angemessen.

Die Bildverluste auf DVD-2 halten sich in Grenzen, werden insgesamt nur dann wirklich auffällig, wenn man 1:1 vergleicht. Der in einer Szene besonders merklich beschnittene Kopf Etzels (dargestellt von Herbert Lom) ist besonders durch das eindeutige Wissen um die Defizite in Sachen Format wirklich ärgerlich – allerdings, auch im normalen Kinoalltag ist solches des Öfteren zu finden. Krimhilds Rache bleibt – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – genießbar.

Unterm Strich resultiert natürlich eine klare Enttäuschung und auch ein Kopfschütteln darüber, dass offenbar beim zweiten Film-Teil etwas schief gegangen ist, anscheinend ein falscher Master (ähnlich wie ehedem bei Old Shatterhand) vorgelegen hat.

1003

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Rolf-Wilhelm-Specials.

Regisseur:
Reinl, Harald

Erschienen:
2003
Land:
Deutschland
Vertrieb:
Polyband DVD
Kennung:
40 06448 75068 8
Zusatzinformationen:
(Gedreht 1966 - 67)

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