Logan’s Run

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
1. Juni 2002
Abgelegt unter:
CD

Score

(5.5/6)

In Logan’s Run • Flucht ins 23. Jahrhundert (1976) leben in ferner Zukunft die Reste der Menschheit in einer unterirdischen, hermetisch von der Außenwelt abgeschotteten Stadt – einer Art postapokalyptischen „Metropolis“ -, die von einem Mega-Computer beherrscht wird. Kein Bewohner wird älter als 30 Jahre. Beim Erreichen der Altersgrenze wird er im Rahmen einer vermeintlichen Wiedergeburts-Zeremonie – dem „Karussell“ – getötet. Diejenigen, welche sich dem Karussell durch Flucht entziehen wollen, werden durch Männer wie Logan 5 (Michael York) gejagt und zur Strecke gebracht. Als dieser selbst zum Kandidaten für besagte tödliche Zeremonie wird, beginnt Logan’s Run for life, mit einschneidenden Konsequenzen …

Die Musik zu Logan’s Run erschien seinerzeit als LP mit rund 42 Minuten Spielzeit. Das Musik-Material war zwar von den Original-Einspielungen genommen, aber nicht allein arg unvollständig, sondern auch völlig unchronologisch auf dem Tonträger untergebracht worden. Als weiteres beträchtliches Minus kam der verhangene, mulmige Klang der Abmischung hinzu. In dieser sehr unzulänglichen Form erlebte der LP-Schnitt zwei CD-Reissues: auf den Labels „Bay Cities“ und „Chapter III Classics“.

Zwei stark gegensätzliche Klangebenen bilden parallel zu den zwei Handlungsebenen des Films den Score zu Logan’s Run: die aus Streichern, Klavier und Synthesizer-Sounds aufgebaute Strawinsky-haft orientierten, vorwiegend kalten und modernistischen Klänge, für die Szenen in der unterirdischen Stadt und ein groß besetztes romantisch-schwelgerisch agierendes Sinfonieorchester für die Szenen in der Außenwelt. Die Musik basiert auf einem chromatischen 3-Noten-Motiv, mit dem auf beiden (!) Klangebenen intensiv gearbeitet wird: So ist z.B. in Track 1 „The Dome/The City/Nursery“ erstmals das schöne von der Celesta gespielte Wiegenlied „Nursery“ zu hören, das raffiniert auf dem Basis-Motiv aufbaut.

Die auf der FSM-CD jetzt vollständig und in chronologischer Reihenfolge vorliegende Musik zeigt nachdrücklich wie unglücklich der alte LP-Schnitt gewählt war. Allein die FSM-Edition macht damit jetzt erstmals die intellektuelle, raffinierte Konzeption dieser Musik voll wahrnehm- und analysierbar. Dabei kommen dem Interessierten sowohl der (wie immer) hervorragend informative Booklet-Text, als auch der – gegenüber den früheren Ausgaben geradezu dramatisch verbesserte – fantastisch klare und durchsichtige Klang der neuen Abmischung eindeutig zugute.

Es ist schon ein klangsinnliches Fest erster Güte, den von Ottorino Respighis Tondichtung „Römische Brunnen“ (siehe auch Klassikwanderung Nr. 1) inspirierten Track 15 „The Sun“ von der FSM-CD zu hören. Erstmals geht kein Detail des stark impressionistisch gefärbten, sich zum orgiastischen Klangrausch steigernden Aufblühens des vollen Orchesters verloren. Dieser Track und auch die übrigen vergleichbar romantisch-sinnlich gehaltenen, erstklassig gearbeiteten orchestralen Teile von Logan’s Run sind es, welche durch ihre ausnehmend hohen Hörqualitäten viele Hörer zweifellos besonders begeistern und zum häufiger Genießen einladen werden. Das in den orchestralen Parts dominierende breit ausschwingende, romantische Love-Theme – dessen Ausgangspunkt wiederum das chromatische 3-Noten-Motiv ist – ist nicht nur ein Ohrwurm, sondern überhaupt eine der prägnantesten Melodien im Schaffen von Jerry Goldsmith.

Wobei auch die stark synthetisch durchsetzten Parts – nach eingehenderem Hören – keinesfalls schlecht abschneiden. Allerdings merkt man ihnen zwangsläufig an, dass sie inzwischen rund ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel haben. Für ihre Zeit sind die zum Teil bizarr-futuristisch anmutenden Synthesizer-Sounds „State of the Art“ und dazu sehr einfallsreich gestaltet. Auch wenn man nicht 1:1 mit [url id=1585]The Illustrated Man • Der Tätowierte[/url] (1969) vergleichen kann, die bis zu Logan’s Run vergangene Zeit und damit die Fortschritte in den klanglichen Gestaltungs-Möglichkeiten mit dem Synthesizer sind deutlich hörbar.

Außerdem bietet Logan’s Run interessante Einblicke in die Komponisten-Werkstatt: So verweist der Klarinettenruf des „Sonnenaufgangs“ bereits auf Islands in the Stream (1977) und die breitorchestralen, hochromantischen Orchestertableaus fußen auf erprobten klanglichen Lösungen, die bis zu The Blue Max (1965) zurückreichen.

Insgesamt ist Logan’s Run ein filmmusikgeschichtlich bedeutender Science-Fiction-Score und wie viele Arbeiten von Goldsmith aus jenen Jahren qualitativ hochstehend und darf als maßstabsetzend angesehen werden. Gerade letztgenannter Punkt ist es, der die (mitunter etwas harsch kritisierte) Häufigkeit der Goldsmith-Veröffentlichungen bei FSM klar rechtfertigt. Unterm Strich also ein Goldsmith-Album, das auch in einer kleineren Goldsmith-Kollektion einen sicheren Platz finden sollte.

Originaltitel:
Flucht ins 23. Jahrhundert

Erschienen:
2002
Gesamtspielzeit:
74:18 Minuten
Sampler:
FSM
Kennung:
Vol. 5 No. 2

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