The Classic Film Music of Georges Auric, Vol. 4

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
22. April 2001
Abgelegt unter:
Sampler

Score

(5/6)

La Symphonie Pastorale (1946), ein Drama aus den Schweizer Bergen, schlägt in Teilen einen vertrauteren üppigen Ton an – die Komposition entstand in unmittelbarer Nachbarschaft zu La Belle et la Bête. Auch diese breiter orchestral angelegte Musik, in der die typischen Ingredienzien einer „Alpensinfonie“ (üppigerer Sound mit Hörnern usw.) ansatzweise spürbar sind, ruht, wie meist bei Auric, auf einem luftigen mehr neoklassizistisch geprägten Fundament. Hübsch sind auch die beiden als Hintergrund-Musik im Film fungierenden „Valse et Tango“.

Macao (1939) spielt in Kanton während des Chinesisch-Japanischen-Krieges und ist wohl die überzeugendste von rund einem dutzend Verfilmungen der Story. Auch diese Musik ist eher von neoklassizistischer Klarheit als von spätromantischer Üppigkeit durchdrungen. Davon hebt sich ab, die besonders reizende klanglich exotische „Chinoiserie“.

Mit Du Rififi chez les hommes • Rififi (1954) gelang Regisseur Jules Dassin der wohl berühmteste französische Film-Noir-Klassiker seiner Zeit. Im Film geht es um einen generalstabsmäßig ausgeführten Diamantenraub mit (zeitbedingt) moralisch sauberem Schluss. Das berühmte bluesige Rififi-Thema stammt allerdings nicht (wie verschiedentlich zu lesen) von Georges Auric, sondern aus den Federn von Philippe Gérard und Willy Dehmer. Vergleichbar mit dem berühmten Lied aus Moulin Rouge (1953) begegnet dem Hörer dieses Thema so im Laufe des Films nur noch einmal, nämlich in einer Gesangs-Einlage – wird also auch hier nicht zum Leitmotiv im gewohnten Sinne. Vielmehr wird im „Main Title“, bereits in der dem Blues-Thema vorausgehenden nervösen Orchestereinleitung, als Kernstück ein kurzes, vom besagten Blues-Thema abgeleitetes Motiv eingeführt. Dieses spielt in der äußerst raffiniert ausgeführten Filmmusik eine bedeutende Rolle. Das äußerst elastisch eingesetzte Motiv durchläuft in einer Vielzahl von Variationen sämtliche Orchester-Sektionen und fungiert sowohl als melodische Phrase wie auch als rhythmische Begleitfigur.

Es beweist schon echte Klasse, wie Georges Auric hier die Klänge gestaltet hat, wie er geschickt (auch ohne Bild) mit seiner atmosphärischen und dazu farbig instrumentierten Musik Spannung aufzubauen vermag und den Hörer im Bann hält, ohne das ein breit-melodisches Thema im Spiel ist. Die faszinierende Musik zum Krimi Rififi bildet für mich den Höhepunkt einer insgesamt sehr überzeugenden CD.

Le salaire de la peur • Lohn der Angst (1953) schildert den gefahrvollen Job der Trucker, die Nitroglycerin zu brennenden Öl-Bohrstellen in Südamerika fahren. Die schauspielerischen Leistungen von Yves Montand, Peter Van Eyck und Charles Vanel verleihen dem Stoff zusätzliche Glaubwürdigkeit. Der preisgekrönte Film ist auch heute noch sehr sehenswert, spannend und atmosphärisch – wohl auch, weil er betont auf Realismus angelegt ist.

Für den Film wurden daher nur zwei Teile mit Musik unterlegt: der stark rhythmische, mit reichlich Klangkolorit angereicherte, interessant klingende „Main Title“ sowie eine als Hintergrundmusik verwendete (Spezial-)Version des Donau-Walzers (mit zwei Gitarren) von Johann Strauss. Dieses originelle Arrangement ertönt im Film aus dem Autoradio eines der Fahrer. Der Walzer bricht mittendrin ab, da der Truck einen schweren Unfall erleidet. In Annäherung an das berühmt gewordene Film-Original schufen die Produzenten die Unfallgeräusche neu – was nicht allzu überzeugend gelang. Egal, ein „kleines“ Finale einer insgesamt überzeugenden Musik-Zusammenstellung.

Nach den informativen Booklet-Texten zu urteilen, dürfte Adrianos Reihe mit Film-Musiken von Georges Auric jetzt abgeschlossen sein. Es ist auch verschiedentlich zu lesen, dass gewisse Arrangements des vorliegenden Materials notwendig waren. Warum, bleibt zumindest etwas unscharf. Inwieweit hierbei vielleicht doch zu stark in die Originale eingegriffen worden ist, kann ich in den meisten Fällen nicht beurteilen, da die Filme nicht zugänglich sind. Dort, wo man vergleichen kann (La Belle et la Bête, Notre-Dame de Paris und Lola Montez), haben mich die Neu-Einspielungen durchaus überzeugt. In Notre-Dame de Paris wirkt z. B. der – anders als in der Filmfassung orchestral erklingende – „March of the Vagabonds“ erheblich schmissiger und passender. Der reine Hör-Eindruck der übrigen Stücke lässt ebenfalls keine gravierenden Mängel vermuten.

Fazit: Hörenswert Unkonventionelles aus französischen Landen bieten Vol. 3 und Vol. 4 der Marco-Polo-Reihe mit Filmmusiken von Georges Auric. Stilistisch steht dieser Komponist Neoklassizisten wie Paul Hindemith und der „neuen Sachlichkeit“ nahe. Trotzdem gelingt es Auric in der Regel, indem er französischen Charme und Eleganz einbringt, das – mitunter berüchtigt „trockene“ – mancher Werke dieser Stilrichtung zu vermeiden.

Von den bekannteren Filmen der Kollektion ragen die Kompositionen zu Notre-Dame de Paris •Der Glöckner von Notre Dame (1956), Lola Montez (1955) und ganz besonders die farbige und überaus einfallsreich gestaltete Krimi-Musik zu Du Rififi chez les hommes • Rififi (1954) heraus. Aber auch die Musiken, zu denen kaum einer die Filme kennen wird, verdienen mehr als „nicht gehört“ zu werden.

Der unter dem Künstlernamen Adriano agierende Schweizer Dirigent und Komponist hat sich zweifellos um die Ausgrabung weitgehend unbekannter europäischer Filmmusiken verdient gemacht. Die Reihe der dem Franzosen Georges Auric gewidmeten CDs ist ihm zweifellos mehr als gut gelungen. Einer eindeutigen Empfehlung für das Quartett steht also nichts im Wege.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Auric, Georges

Erschienen:
2001
Gesamtspielzeit:
59:33 Minuten
Sampler:
Marco Polo
Kennung:
8.225136

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