I’ll Cry Tomorrow

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
23. März 2000
Abgelegt unter:
CD

Score

(5/6)

Die nach einem autobiografischen Roman inszenierte Filmbiografie der in den 30er Jahren erfolgreichen Brodway-Sängerin Lillian Roth, ihre Beziehungsprobleme und ihren Alkoholismus zeigt das Melodram I’ll Cry Tomorrow • Und morgen werde ich weinen: Der Film bekam seinerzeit von der Kritik gute Noten. Der Komponist der Filmmusik Alex North (1910-1991) war wohl der originellste und ehrwürdigste Vertreter der Hollywood-Nachwuchsgeneration, die ab Anfang der Fünfziger die „Alte Komponisten-Garde“ abzulösen begann. Durch den Regisseur Elia Kazan bekam North 1951 die Chance, den Warner-Film A Streetcar named Desire • Endstation Sehnsucht zu vertonen: Seine Komposition wurde ein Meilenstein für die Verwendung von Jazz in der Filmmusik. Seine Studien bei dem mexikanischen Komponisten Silvestre Revueltas prädestinierten ihn für die Komposition zu Viva Zapata (1952), in die North wohl als erster Hollywood-Komponist überzeugendes mexikanisches Kolorit einarbeitete. Auch bei diesem Klangschöpfer ist der auf Tonträger vertretene Anteil seines Schaffens – wenn auch nicht so katastrophal gering wie im Fall Kaper – recht klein. Vieles in den Filmkompositionen des Alex North ist sicher zu speziell, um von der breiten Masse gewürdigt zu werden, dazu war der Tonschöpfer wie auch Bernard Herrmann (über Bernard Herrmann siehe auch Vertigo und The 7th Voyage of Sinbad) meist zu unkonventionell. Der Reiz seiner zum Teil durchaus sehr modernen, in den Bläserpassagen häufig auf Dissonanz angelegten komplexen Klangstrukturen ist mit Worten nur unzulänglich zu beschreiben, sondern muss ge- und erhört werden. Im Gegensatz zu Herrmann komponierte North aber auch des öfteren eingängige Melodien. Ein besonderer „Wurf“ gelang ihm mit dem Hauptthema zum Film Unchained (1955): Es wurde ein Evergreen! Die Musik zu I’ll Cry Tomorrow paart die Jazzeinflüsse der A-Streetcar-Named-Desire-Komposition mit mehr romantischen, melodieorientierten Scores wie Désirée (1954). Das Blues-Hauptthema kontrastiert mit üppigem Streicherwohlklang in den menschlich warmen Momenten des Films; der Sucht-Kollaps der Lillian Roth ist, North-typisch, dramatisch-komplex gestaltet. Auch hier präsentiert uns das ticker-tape-Label die vollständige Musik inklusive einiger Outtakes und Alternativ-Tracks. Für Booklet und Cover gilt das schon für Home from the Hill Geschriebene.

Fazit: Zwei echte Katalogbereicherungen von „ticker tape“ in hervorragendem Stereo-Sound. Bronislaw Kapers Home from the Hill ist nicht nur sehr hörenswert, sondern zur Zeit (fast) die einzige seiner Filmkompositionen, die überhaupt auf dem Markt erhältlich ist! Auch die North-Musik zu I’ll Cry Tomorrow ist trotz des schmalzigen Titels keineswegs eine Schnulzen-Musik, sondern eine modern-dramatische, hochexpressive Klang-Schöpfung.

Durch die mittlerweile erschienene offizielle FSM-Edition von Home from the Hill hat die ticker tape-Edition drastisch an Bedeutung verloren. Um dies zum Ausdruck zu bringen, haben wir die ursprünglich sehr positive Wertung entfernt und verweisen primär auf den legitimen Nachfolger.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
North, Alex

Erschienen:
2000
Gesamtspielzeit:
48:46 Minuten
Sampler:
ticker tape
Kennung:
tt 3016

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